Manila: Demonstration mit 15.000 Menschen
Heidelberg 2011-07-29
Am gestrigen Tag fand in Manila, Hauptstadt der Philippinen, anlässlich der 2. Erklärung von Staatspräsident Aquino III zur Lage der Nation (sog. State on nation adress, kurz SONA II genannt) eine eindrucksvolle, kämpferische, bunte und sehr breite Demonstration mit ca. 15.000 Teilnehmer/innen (Zahlenangaben laut rf-news.de vom 26.07.11, Kurzmeldungen) statt. Bei dieser Demonstration machten Menschen aus fast allen gesellschaftlichen Sektoren und ihre jeweiligen sie repräsentierenden Organisationen ihre eigene Bilanz zu der einjährigen Amtszeit von Aquino III (Sohn der in der Bevölkerung sehr populären und letzten Jahr verstorbenen Corazon Aquino) auf. Sie zogen einen Vergleich zu den von ihm bei der 1. SONA im Juli 2010 gemachten Versprechungen, die er allesamt nicht erfüllt hat, zeigten die ungeschminkte Wirklichkeit und brachten selbstbewusst in phantasievoller, vielfältiger, laut hörbarer und gut sichtbarer Art und Weise ihre jeweils speziellen, aber auch ihre gemeinsamen Anliegen und Forderungen zum Ausdruck. Ca 7.000 Polizisten und 700-1.000 Soldaten der Marine und Armee sowie einige gepanzerte Schützenwagen wurden aufgeboten, um diese Demonstration zu provozieren und einzuschüchtern. Im Vorfeld wurde die beantragte Demonstrationsroute Batansan Grounds nicht genehmigt.
Alle Versuche, auch gerichtlich, das abzuändern, schlugen fehl, so dass der People-SONA-Protest in der Commonwealth-Avenue vor der St. Peter-Kirche stattfinden musste. Gleichzeitig wurden auch in vielen anderen Städten außerhalb von Manila, wie z.B. in Baguio City, Cebu City, Davao City und in der Negros Occidental Provinz ähnliche Protestaktionen durchgeführt. Eine Pro-Aquino-Demonstration in den Batasan Grounds wurde dagegen erlaubt. In einer 8-Punkte Volks-Agenda wurden die übergreifenden Forderungen von BAYAN vorangetragen: 1. Bestrafung von Gloria Macapagal-Arroyo, 2.Gerechtigkeit für die Menschenrechtsopfer des Arroyo-Regimes, 3. Authentische Landreform 4.Erhöhung der Löhne, 5. Stoppt die Morde, 6. Weg mit dem Visiting Forces Agreement (Besucherstreitkräfte-Abkommen mit den USA, das den Einsatz US-amerikanischer Soldaten im Land ermöglicht) und dem Japanese-Philippine Economy Partner Agreement (Japanisch-Philippinisches Wirtschaftspartnerschaftsabkommen), 7.Steigerung des Budgets für soziale Dienstleistungen und 8. Fortsetzung der Friedensverhandlungen. Parallel zu den Protestdemonstrationen hatten alle 354 politischen Gefangenen im Land, deren zum Teil langjährige, unmenschliche Inhaftierung mehr oder weniger auf gefälschten Anklagen beruht, am 21. Juli 2011 einen 3-tägigen Hungerstreik durchgeführt, bei dem sie unterstützt von Gruppen außerhalb der Gefängnisse ihre sofortige und bedingungslose Freilassung forderten.
Auch wenn es aufgrund der Zeitverschiebung von ca. 6 Stunden nicht mehr möglich war, direkt Solidaritätsgrüße an die fortschrittliche Bewegung und ihre machtvolle Demonstration zu übermitteln, so ließ es sich die gestrige Montagskundgebung jedoch nicht nehmen, dieser Grüße nachträglich per Akklamation der Teilnehmer/innen zu verabschieden und dies per Email zu übermitteln. Beziehungen zu den Vertreter/innen fortschrittlicher Bewegungen in dem 12.000 km weit entfernten Inselstaat bestehen bereits seit 1997 über einen Aktivist der Montagsbewegung Heidelberg, und es gab es mehrere gegenseitige Besuche. Im November 2010 haben 3 philippinische Kollegen aus der Automobilbranche an der Montagskundgebung teilgenommen, von der Situation dort berichtet und gleichzeitig ihre Solidarität mit der Montagsbewegung in Deutschland bzw. Heidelberg durch Rede-, Kultur- bzw. Diskussionsbeiträge zum Ausdruck gebracht.
Hier ein paar Bilder von dem Besuch von drei philippinischen Arbeitern aus der Automobilindustrie im Jahr 2009:
Kulturbeitrag bei der Kundgebung der Montagsbewegung Heidelberg am 26.10.2009
Besuch beim Betriebsrat des Automobilzulieferers TI in Heidelberg-Pfaffengrund
Empfang der philippinischen Kollegen im Gewerkschaftsbüro von ver.di Rhein-Neckar. In der Mitte der vor kurzem verstorbene ver.di Gewerkschaftssekretär Bernd Harth
Eintrag im Gästebuch des Dokumentationszentrums der Sinti und Roma in Heidelberg
Teilnahme an dem Gedenktag für die Opfer des Faschismus auf dem Bergfriedhof in Heidelberg am 01.11.2009
Auf der Homepage des fortschrittlichen Magazins Bulatlat gibt es unter:
www.bulatlat.com eindrucksvolle Fotos von der gestrigen Demonstration in Manila. Ihr findet sie unter: SONA 2011, A Bulatlat.com special coverage unter liveblog: photos of SONA 2011 protest, Fotostream, File photos of SONA 2011 protest
Zu sehen sind dort Ausschnitte der großen und bunten Demonstration am 25.07.11 in Manila mit Tausenden Teilnehmer/innen aus allen gesellschaftlichen Lebensbereichen und den sie repräsentierenden Organisationen. Symbolhaft wird der amtierende Präsident als faules Ei in Überlebensgröße in der Demonstration mitgeführt und am Ende verbrannt, bevor die „Menschen von dem Gestank dieses Ei´s sterben“. Parallel zu der Volks-SONA hatten alle 354 politischen Gefangenen im ganzen Land einen 3-tägigen Hungerstreik durchgeführt, der am 25.07.11 beendet wurde. Die Aufschrift auf dem großen Transparent Sahod, Lupa, Pagkain Tirahan Karapatan bedeutet sinngemäß Löhne, Boden, Nahrung, Behausung, Würde. Das überlange Tuch „Dataang Matuwid“, zu Deutsch gerader Weg, das eine Autobahn symbolisiert, bedeutet dass dieser gerade Weg in Wirklichkeit eine Killer-Autobahn ist.
Da viele der auf den Bildern gezeigten Organisationen und Gruppen in Deutschland nicht allgemein bekannt sein dürften, hier eine kurze Erläuterung:
Bayan: Das Volk, so was ähnliches wie die Dachorganisation aller fortschrittlichen Bewegungen auf den Philippinen
ILPS: Internationale Liga für Volkskämpfe, ein internationaler Zusammenschluss mit über 200 Mitgliedsorganisationen weltweit
KMU: Kilusang Mayo Uno, Gewerkschaftsbewegung des 1. Mai, ein kämpferische, authentische und antiimperialistisch ausgerichtete Gewerkschaftsdachverband
Kadamay: Nationale Allianz der städtischen Armutsgemeinden-Interessensverbände, der Arbeiter und der Nachbarschaftsverbindungen, Arbeitern und Halbtagsarbeitern, Frauengruppen und Jugendgruppen in den Gemeinden
PISTON: Gewerkschaftlicher Zusammenschluss der Transportfahrer und Schaffner
COURAGE: gewerkschaftlicher Zusammenschluss der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
Kamp: Allianz der indigenen Völker
Moro-Christian-People Alliance: Allianz der Muslime und Christen
Kalikasan: Netzwerk des Volkes für die Umwelt
Migrante International: Internationale Allianz der philippinischen Migrantenorgansationen
Gabriela: Fortschrittlicher Frauenverband
KMP: Zusammenschluss der Bauern
ULWU: Gewerkschaftlicher Zusammenschluss der Arbeiter auf der Hazienda Luisita
Desweiteren gab es verschiedene betriebliche Delegationen, z.B.
ABS-CBN-IJM, Workers Union Independent: unabhängige Arbeitergewerkschaft des outgesourcten Bereiches Interner Jobmarkt des Mediengigants ABS-CBN
LFS: Liga der philippinischen Studenten
Agham: Wissenschaftler für das Volk-Vereinigung
ACT: Allianz der beunruhigten Lehrer
Consumers Action for Empowerment: Verbraucherbewegung Hilfe zur Selbsthilfe
HEAD: Allianz der Gesundheitsbeschäftigten für Demokratie
HEALTH: ich weiß nicht genau was diese Abkürzung bedeutet, die Organisation ist mir jedoch als ein Zusammenschluss aus dem Gesundheitswesen in Erinnerung.
AHW: Zusammenschluss der Gesundheitsbeschäftigten
Karapatan: Menschenrechtsorganisation
Selda: Organisation der politischen Gefangenen und ehemaligen politischen Gefangenen
Hustisia: Organisation für Gerechtigkeit
Desparecidos: Organisation der Verschwundenen und ihrer Angehörigen
Fortschrittliche Parteilisten, sog. Partylists:
Anakpawis: Parteiliste der unterdrückten Massen
Bayan Muna: sinngemäß das „Volk zuerst“- Parteiliste
Gabriela Partyliste: Parteiliste des fortschrittlichen Frauendachverbandes Gabriela
Act Parylist: Parteiliste der Lehrer