Junge Welt Buchkritik »Erziehen und zivilisieren«

Tageszeitung junge Welt / Berlin

04.06.2012 / Politisches Buch / Seite 15

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 http://www.jungewelt.de/2012/06-04/007.php

»Erziehen und zivilisieren«

 

    Rainer Werning über koloniales Erbe in den Philippinen

Arnold Schölzel

 

Die These »Kein Liberalismus ohne Kolonialismus (und Rassismus)« ist

mehr bekannt als begriffen. Der Titel des Buches »Krone, Kreuz und

Krieger. Europäische Vermächtnisse in den Philippinen« von Rainer

Werning scheint zunächst keinen Bezug zu ihr zu haben. Der Band enthält aber einen hochverdichteten, reich mit historischem und aktuellem Material gestützten Beleg für die in der Wendung ausgesprochene Auffassung. Vorlage für den in deutsch und englisch gedruckten Text war ein Manuskript, das der Autor während einer Vortragsreise an mehreren Universitäten der Philippinen genutzt hatte.

Dem Schlußkapitel über philippinische Sichtweisen auf Deutsche gehen

drei zum eigentlichen Gegenstand voraus, wobei Werning zunächst »das

allgegenwärtige und das alles durchdringende Vermächtnis des westlichen europäischen Kolonialismus in Gestalt der Religion, Glaubensgrundsätzen, Wirtschaftsstrukturen und Kulturmustern« untersucht. Dazu gehört der Name des Landes und seiner Bewohner: Die Benennung nach dem katholisch-fundamentalistischen spanischen König Philipp II. (1527-1598) schloß die von diesem angewiesene Ausgrenzung der moslemischen Bewohner des Südens der Inselgruppe ein, die bis heute als »Moros« bekämpft werden. Als die Spanier gingen, kamen die USA. Die damalige »humanitäre Intervention« Washingtons »begründete« US-Präsident William McKinley im Sommer 1898 in einer Rede, die Werning mit Recht als ein »Dokument, das möglicherweise zu den am meisten grotesken der Weltgeschichte zählt«, bezeichnet: »Und eines Nachts überfiel es mich (…) und ich entschied: (…) daß uns nichts anderes übrigblieb, als sie alle zu übernehmen, die Filipinos zu erziehen, sie emporzuheben, zu zivilisieren und zu christianisieren«.

 

Das zweite Kapitel widmet sich eher unbekannten kolonialen Erbschaften: Der Autor skizziert das Wüten des ruhmreichen US-Generals John Joseph Pershing nach der Eroberung und beschreibt die »fünfte Kolonne« von deutschen Nazis und spanischen Falangisten auf den Inseln während des Zweiten Weltkrieges. Der dritte Abschnitt schildert, welche Spuren Akteure aus Wissenschaft und Kunst im Land hinterließen: der Österreicher Ferdinand Blumentritt, Rudolf Virchow und jüdische Einwanderer. Der Autor malt so auf engem Raum ein Panorama der Verflechtungen kolonialer und imperialistischer Interessen und des

einheimischen Widerstands. Der Band weist ihn einmal mehr als einen der besten Sachkenner dieser Region im deutschsprachigen Raum aus.

 

Rainer Werning: Krone, Kreuz und Krieger – Europäische

Vermächtnisse in den Philippinen/Crown, Cross and

Crusaders/European Legacies in the Philippines. Verlag Neuer

Weg, Essen 2011, 109 Seiten, 9,00 Euro