Junge Welt-Rainer Werning: Magere Bilanz

Tageszeitung junge Welt / Berlin

01.07.2014 / Ausland / Seite 6

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 Magere Bilanz

 

    Nach vierjähriger Amtszeit von Präsident Aquino preist sich die

    philippinische Regierung grundlos selbst

 

Von Rainer Werning

 

Er werde die Menschenrechte achten, den Sumpf der Korruption austrocknen und für einen volksnahen, geradlinigen Regierungsstil sorgen. Das waren die Kernversprechen von Benigno S. Aquino III, als er am 30. Juni 2010 in den Präsidentenpalast Malacañang in Manila einzog. »Wenn es keine Korruption gibt, herrscht auch keine Armut. Ihr seid mein Boß«, versicherte der Präsident publikumswirksam seinen Wählern. So sollte Volksnähe suggeriert und das schlechte Image philippinischer Politik als »Trapo«-Politik abgestreift werden. »Trapo« steht für »traditionelle Politiker«, die sich schamlos bereichern und die öffentliche Domäne unter sich als private Jagdreviere abstecken.

Was ist daraus nach vier Jahren Amtszeit geworden? Bitter wenig. Das

landesweit alles beherrschende mediale Thema ist der sogenannte Pork

Barrel Scam – der größte Betrugs- und Bestechungsskandal in der jüngeren

Geschichte des Landes. Pork Barrel ist die populäre Bezeichnung eines

Sonderfonds, der jedem Kongreßabgeordneten und Senator in Höhe von

jährlich 70 beziehungsweise 200 Millionen Peso (umgerechnet etwa 1,16

Millionen beziehungsweise 3,3 Millionen Euro) zusteht, um damit

Entwicklungsprojekte in ihren Wahlkreisen zu finanzieren. Statt dessen

landeten mindestens zehn Milliarden Peso (zirka 16,6 Millionen Euro)

durch geschmeidiges Finanzgebaren der umtriebigen Geschäftsfrau und

zentralen Figur der Affäre, Janet Lim-Napoles, in den Taschen von

Parlamentariern. Der Trick dabei: Die Gelder wurden Schein-NGOs

zugeschanzt, und von den Rücküberweisungen flossen deftige Schmiergelder an die Politiker. Zwei Senatoren sitzen bereits – wiewohl unter privilegierten Bedingungen – hinter Gittern. Weitere Senatoren und

Kongreßabgeordnete sollen folgen. Für viele Menschen im Lande, die unter

stetiger Verarmung und den Folgen verheerender Katastrophen Ende 2013

(Erdbeben und der Supertaifun »Haiyan«) leiden, eine unerträgliche

 

Menschenrechte? Ja, die werden gewahrt, läßt der häufig den Realitäten

entrückte Präsidentensprecher Edwin Lacierda mantrahaft verlauten. Ganz

anders liest sich das im jüngsten Bericht von Human Rights Watch über

Todesschwadronen in der südlichen Stadt Tagum sowie sogar im

diesjährigen Menschenrechtsreport des US State Department. Darin werden

die fortgesetzten und ungeahndeten außergerichtlichen Hinrichtungen

ebenso angeprangert wie das Verschwindenlassen mißliebiger Personen.

 

Politische Gefangene? Nein, die gibt’s gar nicht, erklärt derselbe

Lacierda. Für die Regierung sind die von der philippinischen

Menschenrechtsorganisation Karapatan aufgelisteten 489 politischen

Gefangenen schlicht »Kriminelle«. Wer sind diese? Durch die Bank

Mitglieder fortschrittlicher Bauern- und Arbeiterorganisationen,

Gewerkschafter, studentische Aktivisten – ja, selbst engagierte

Kirchenleute, integre Richter wie zuletzt Reynerio Estacio oder

couragierte Medienleute wie der Radiojournalist Rogelio Butalid.

 

In den meisten Fällen, beklagt Edre Olalia, Menschenrechtsanwalt und

Rechtsberater des Linksbündnisses Nationale Demokratische Front (NDFP),

läßt sich die Justiz als Büttel von Sicherheitskräften mißbrauchen – im

Einklang mit dem explizit gegen die Linke (n) gerichteten

Aufstandsbekämpfungsplan »Bayanihan« (»Nachbarschaftshilfe«).

»Fabrizierte Mordanklagen, nachträglich ausgefüllte Haftbefehle,

mangelnder Zeugenschutz und eine in solchen Fällen auffällig schnell

agierende Justiz«, so Olalia gegenüber jW, »sind die gängigsten Methoden, um politische Aktivisten zu kriminalisieren, mundtot zu machen und wegzusperren. Auch unter Aquino bleibt die Kultur der Straffreiheit

ungebrochen.« #