Rainer Werning – TAZ – IS auf den Philippinen?

Tageszeitung junge Welt / Berlin / Rainer Werning

29.08.2014 / Ausland / Seite 7

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IS auf den Philippinen?

     Regierung in Manila verhandelt mit MILF-Rebellen über Frieden. Doch

andere bekennen sich zum »Islamischen Staat«

 

Immer enger werden seit dem Frühjahr die Kontakte zwischen dem

dschihadistischen »Islamischen Staat« (IS, vormals ISIS/ISIL) und

Gesinnungsgenossen in Südostasien. Neben Indonesien ist dabei vor allem

der Süden der Philippinen ins Zentrum von Propagandisten und Rekruteuren des IS gerückt. Mit der Abu-Sayyaf-Gruppe (ASG) hat dort eine militante Organisation bereits mehrfach international für Schlagzeilen gesorgt. Deren Gründungsmitglieder hatten bereits als »Mudschahedin« in

Afghanistan gegen die sowjetischen Truppen gekämpft. Im Sommer 2000

bestimmte die ASG auch in Deutschland wochenlang die Schlagzeilen, als

einige ihrer Kommandeure auf der südphilippinischen Insel Jolo unter

anderem Mitglieder der Familie Wallert aus Göttingen gefangenhielten und

diese erst nach hohen Lösegeldzahlungen wieder auf freien Fuß setzten.

Mehrere Großoffensiven von philippinischen Eliteeinheiten und

US-Spezialkräften in der Region vermochten es nicht, die ASG aufzureiben. Im Gegenteil: Gut gelaunt und quietschfidel zeigte sich erst kürzlich Isnilon Hapilon, ein führender Befehlshaber der Organisation, in einem am 23. Juli hochgeladenen Youtube-Video. Fünf Millionen US-Dollar Kopfgeld sind auf seine Ergreifung ausgesetzt. Seine Videobotschaft, Arm in Arm mit vermummten Gesinnungsgenossen vorgetragen, war kurz und knapp: Er und seine Gefolgschaft bekennen sich zum IS und geloben, dieser Organisation und ihrer Führung vorbehaltlos zu folgen.

 

Seit etwa Anfang Juni sind laut zuverlässigen Quellen zufolge in Zamboanga, einer Stadt im Südwestzipfel von Mindanao, mehrere vorwiegend jugendliche Moros dafür begeistert worden, sich dem IS anzuschließen. Von der Hafenstadt Zamboanga aus setzten sie mit regelmäßig zwischen den Philippinen und Malaysia verkehrenden Fähren nach Sandakan im nahegelegenen ostmalaysischen Bundesstaat Sabah über. Von da aus ging ihre Reise direkt oder über einen Umweg via Iran in den Irak und nach Syrien. Die Zahl dieser IS-Sympathisanten ist nicht genau auszumachen, geschätzt wird sie zum jetzigen Zeitpunkt auf 100 bis 200 Personen.

 

Neben der ASG haben zwischenzeitlich auch führende Kader der »Bangsamoro Islamischen Befreiungsbewegung« (BIFM) sowie ihres militärischen Arms, der »Bangsamoro Islamischen Befreiungskämpfer« (BIFF), Unterstützung für den IS signalisiert. BIFM-Sprecher Abu Misry Mama bestätigte am 22. August eine via Mobiltelefon und Internet hergestellte Allianz zwischen seiner Organisation und dem »Islamischen Staat«. Allerdings schloß er aus, daß BIFF-Rekruten Trainingslager in Irak oder Syrien durchlaufen. Bis dato würden auch keine Kombattanten der BIFF Seite an Seite mit den Milizen des IS kämpfen.

 

Die Hinwendung der ASG und der BIFM/BIFF zum IS ist gleichzeitig ein

öffentlicher Affront gegen den laufenden Friedensprozeß zwischen der

Regierung der Philippinen und der von Al-Haj Murad Ebrahim und Mohagher Iqbal geführten »Moro Islamischen Befreiungsfront« (MILF). Von dieser hatte sich die BIFM/BIFF schon 2008 mit dem Argument abgespalten, die MILF habe das ursprüngliche Ziel eines unabhängigen Moro-Staates aus den Augen verloren. Am 27. März schlossen die Regierung in Manila und die

MILF schließlich nach jahrelangen Verhandlungen einen Friedensvertrag.

Dieser sieht bis Sommer 2016 die Formierung einer autonomen Bangsamoro-Regierung vor, sofern bis dahin ein Bangsamoro-Grundgesetz

(BBL) den Kongreß passiert und im kommenden Jahr ein entsprechendes

Referendum stattgefunden hat.

 

Oberwasser bekamen die MILF-Kritiker, als es in der ersten Augusthälfte

in Davao, der größten Stadt der Südphilippinen, mehrtägiger

Marathonsitzungen bedurfte, um »Nachbesserungen« des BBL-Texts

vorzunehmen. Dabei sei die MILF-Führung ein weiteres Mal »eingeknickt«,

hieß es.

 

An der MILF selbst gehen die Entwicklungen der vergangenen Wochen

offensichtlich nicht spurlos vorbei. Auf ihrer offiziellen Website

luwaran.com publizierte sie in dieser Woche ein nicht namentlich

gezeichnetes Editorial, in dem Verständnis für die Kritik an der

US-Nahostpolitik gekoppelt ist mit dem Werben für die eigene Position.

Ohne die MILF, so das Fazit des Kommentars, würden die Schleusen für

eine neuerliche Gewalteskalation im Süden weit geöffnet. #