Junge Welt – Rainer Werning – US-Komplize unter Druck

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Tageszeitung junge Welt / Berlin
Gegründet 1947
Ausgabe vom 28.03.2015, Seite 7 / Ausland

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Junge Welt – Rainer Werning – US-Komplize unter Druck

Untersuchungsberichte belasten philippinischen Präsidenten nach
desaströser Kommandoaktion

Von Rainer Werning

Friedensgebet am 6. März in Quezon-City in der Metropolregion Manila
Foto: EPA/RITCHIE B. TONGO/dpa – Bildfunk

In der vergangenen Woche haben der philippinische Senat und die Moro
Islamische Befreiungsfront (MILF) den mittlerweile zweiten und dritten
Untersuchungsbericht über eine desaströse Kommandoaktion der Special
Action Force (SAF) der Philippinischen Nationalpolizei (PNP) vorgelegt. Bei dem Einsatz zur Ergreifung dreier mutmaßlicher Terroristen waren am 25. Januar nach letzten offiziellen Angaben 44 Polizisten, 17 MILF-Kämpfer und drei Zivilisten getötet worden. Auch der angebliche malaysische Sprengstoffexperte Zulkifli bin Hir alias Marwan, einer der Gesuchten, starb demnach bei der »Operation Exodus« in der Ortschaft Mamasapano in der südlichen Provinz Maguindanao.

Wie bereits in dem Mitte März vorgelegten ersten Bericht der PNP kommt
Präsident Benigno S. Aquino III. auch nach den Untersuchungen des Senats
und der MILF schlecht weg. Der PNP-Report hatte dem Präsidenten eine
Missachtung der Befehlskette vorgeworfen. Der von der Senatorin Grace
Poe vorgelegte 129seitige Senatsbericht geht noch weiter: Er bezeichnet
Aquino als Hauptverantwortlichen der Kommandoaktion, die schlecht
geplant und ausgeführt worden sei. Außerdem heben die Autoren hervor,
dass es sich keineswegs um »eine hundertprozentig von Filipinos geplante
und durchgeführte Mission« gehandelt habe, wie es Verteidigungsminister
Voltaire Gazmin und Außenminister Albert del Rosario mehrfach versichert
hatten.

Die Kommandoaktion folgte laut Senatsbericht eher einem US-Skript. Die
Ergreifung Marwans habe für Washington weitaus größere Bedeutung gehabt
als für Manila. Planung, Vorbereitung, Finanzierung und Logistik hätten
in den Händen amerikanischer Geheimdienstexperten und des FBI gelegen.
Laut dem Bericht soll sich der Kommandeur der 6. Infanteriedivision der
Armee in Maguindanao gar geweigert haben, auf Drängen von US-Personal
Artillerie einzusetzen. Kritiker und Gegner Aquinos werfen dem Präsidenten deshalb Komplizenschaft in einem Deal mit der US-Regierung vor, bei dem »die Amerikaner bis zum letzten Filipino« kämpften. Das Ende April 2014 zwischen Washington und Manila ausgehandelte »Erweiterte Verteidigungskooperations-Abkommen« (EDCA) gestatte US-Militäreinheiten auch künftig ähnliche Operationen und räume ihnen extraterritoriale Sonderrechte und Immunität ein.

Die MILF schlussfolgert in ihrem Untersuchungsbericht, dass die Attacke in Mamasapano einen Bruch der mit der Regierung gemeinsam ausgehandelten
Waffenstillstandsklauseln bedeute. Ihre Kämpfer hätten sich in der
Nacht-und-Nebel-Aktion angegriffen gefühlt und das von der SAF eröffnete
Feuer erwidert. Entschieden weist MILF-Verhandlungsführer Mohagher Iqbal
den im Senatsbericht erhobenen Vorwurf eines »Massakers« zurück und
spricht von einer Verkehrung der Tatsachen.

Für den Präsidenten kommt die Kritik äußerst ungelegen. Nur zu gern hätte Aquino den gestrigen Freitag genutzt, um das einjährige Bestehen des mit der MILF am 27. März 2014 in Manila ausgehandelten Friedensvertrags zu feiern. Statt dessen ist sein Image schwer ramponiert und er steht politisch vor einem Trümmerhaufen. Die beiden führenden Meinungsforschungsinstitute im Lande, Pulse Asia und Social Weather Stations, attestieren dem Präsidenten die niedrigsten Zustimmungswerte seit seiner Amtseinführung im Sommer 2010. Angetreten war Aquino damals mit dem Versprechen, den langjährigen Konflikt im Süden des Landes zu entschärfen und mit der MILF einen dauerhaften
Frieden zu schließen. Daran hatte der Präsident gar die Erwartung geknüpft, sich für den Friedensnobelpreis zu empfe