Junge Welt – Rainer Werning – Kampf um Vizepräsidentschaft

13.05.2016 / Ausland / Seite 6

Nach Wahlen in den Philippinen entbrennt Kampf um Posten des stellvertretenden Staatschefs

Von Rainer Werning

Wer wird dem designierten neuen Präsidenten der Philippinen, dem 71jährigen Rodrigo »Rody« Duterte, als Vizepräsident zur Seite stehen? Nach den vorläufigen Ergebnissen führt Maria Leonor »Leni« Robredo von der regierenden Liberalen Partei vor dem 58jährigen Ferdinand »Bongbong« Marcos junior – und zwar mit einem Vorsprung von etwa 200.000 Stimmen. Noch sind knapp zwei Millionen Stimmen aus verschiedenen Regionen sowie die Wahlzettel von in Übersee lebenden Filipinos nicht ausgezählt.

Der Sohn des Ende Februar aus dem Amt gejagten Diktators Ferdinand E. Marcos vermutet Manipulationen, denn in seiner Sicht der Dinge operiert das Regierungslager mit unlauteren Mitteln. Es bestehe ein »Plan B«, der vorsehe, dass Robredo zum Sieg verholfen werden soll, weil der vom scheidenden Präsidenten Benigno S. Aquino III. favorisierte Kandidat Manuel »Mar« Roxas II. bei den Wahlen am Montag eine desaströse Niederlage erlitten hatte. Nach dem philippinischen Wahlsystem bewerben sich für das Amt des Präsidenten und seines Stellvertreters meistens Kandidaten unterschiedlicher Parteien.

Ziel des Regierungslagers könnte sein, unmittelbar nach der Amtseinführung Dutertes Ende Juni ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn einzuleiten. Krönender Abschluss wäre dann die Übernahme des höchsten Staatsamtes durch Robredo, was die Macht des Aquino-Lagers garantieren würde.

Dass Duterte, von seiner Fangemeinde kurz »Rody« oder »Digong« genannt, mit über 15prozentigem Vorsprung vor Roxas plaziert ist, bedeutet eine herbe Schlappe für Aquino. Für Duterte sind es gerade die politischen Clans und Dynastien wie die Aquinos und Cojuangcos, die als mächtige Großgrundbesitzer und Wirtschaftsmagnaten für die politische und wirtschaftliche Misere des Landes verantwortlich sind.

Die im Wahlkampf allseits spürbare Verbitterung über den Amtsstil von Aquino und seine Abwesenheit in Krisensituationen war einer der Hauptgründe für Dutertes Sieg. Nicht zu unterschätzen war auch der regionale Faktor: Mit Duterte wird erstmalig in der Geschichte der Philippinen ein Politiker von der größten südlichen Insel Mindanao Präsident. Um den dort und in den weiter südlich gelegenen Inseln schwelenden Dauerkonflikt mit den Moros und ihren beiden größten Organisationen, der Islamischen Befreiungsfront der Moros (MILF) und der Nationalen Befreiungsfront der Moros (MNLF), zu deeskalieren, setzt Duterte auf eine Verfassungsänderung. Demnach soll das bestehende präsidiale System in ein föderales und parlamentarisches umgewandelt werden. Nur so könnten die mit beiden Organisationen bereits ausgehandelten Friedensabkommen umgesetzt und mit Leben gefüllt werden.

Indirekte Rückendeckung erhielt Duterte derweil von seinem ehemaligen Lehrer am Lyceum of the Philippines University von Manila: José María »Joma« Sison. Dieser hatte dort eine Zeitlang Politikwissenschaften gelehrt, Ende Dezember 1968 war Sison Gründungsvorsitzender der auf marxistisch-leninistischer und maoistischer Grundlage geschaffenen Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP).

Sison lebt seit Ende der 1980er Jahre im niederländischen Utrecht im Exil und ist politischer Chefberater der linken Bündnisorganisation der Nationalen Demokratischen Front (NDFP), der unter anderen auch die CPP angehört. In einer kürzlich geschalteten Internetvideokonferenz tauschten Lehrer und Schüler vor verblüfften Zuschauern Nettigkeiten aus.

Es ist nicht auszuschließen, dass Duterte noch vor seinem Amtsantritt Sison in Europa trifft. Dabei wird es vorrangig darum gehen, die gut 500 politischen Gefangenen in den Philippinen zu entlassen und die gemeinsamen Friedensverhandlungen zwischen Manila und der NDFP wiederzubeleben. Bislang hat das norwegische Außenministerium in Oslo als Vermittler gewirkt. Allerdings erfolglos, weil Manila entgegen früheren Abmachungen Personen inhaftierte, die akkreditierte NDFP-Berater sind.

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