Junge Welt – Rainer Werning – Angeordnetes Morden

11.08.2016 / Ausland / Seite 6

Philippinen: »Kurzer Prozess« im Kampf gegen Drogen, Kriminalität und Korruption

Von Rainer Werning

Das hat es in der Geschichte des südostasiatischen Inselstaates noch nie gegeben, aber über diese Neuheit dürfte der seit dem 30. Juni im Malacañang-Palast zu Manila residierende 16. Präsident der Philippinen, Rodrigo R. Duterte, nicht gerade begeistert sein: »The Kill List« nennt die in Manila erscheinende Tageszeitung Philippine Daily Inquirer eine seit Dutertes Amtsantritt regelmäßig veröffentlichte Liste mit den Namen getöteter Menschen und skizziert die Umstände, unter denen sie ihr Leben verloren. Die Rede ist von außergerichtlich hingerichteten Personen, die aus Sicht der Regierung Drogenabhängige waren oder als Drogenschieber tätig waren.

Landesweit fanden demnach bis Anfang dieser Woche mindestens 500 Personen den Tod. Der Nachrichtensender Al-Dschasira bezifferte am Montag die Zahl der seit Dutertes Wahlsieg am 9. Mai Ermordeten sogar auf 800.

Es gibt ein Muster, nach dem die Täter vorgehen: Zwei Vermummte kommen auf einem Motorrad ohne Nummernschild angefahren und richten ihre ausgemachten Opfer aus kurzer Entfernung buchstäblich hin. Bleiben sie dabei unbeobachtet, umwickeln sie die Leichen mit Klebeband und hinterlassen ein Pappschild mit der lapidaren Aufschrift »Ich war ein Drogendealer«. Eine andere Art des Vorgehens sind »Buy and bust«-Operationen: Verdeckt ermittelnde Polizisten geben vor, Drogen kaufen zu wollen. Geht der vermeintliche Dealer darauf ein, zücken die Beamten statt des Geldes gleich die Pistole. Unter Druck geratene Drogenbosse lassen inzwischen auch ihre Leute ausschwärmen, um vermeintliche Polizeispitzel und potentielle Rivalen »auszuschalten«.

Das Vorgehen Dutertes ist wohl das mit Abstand am heftigsten diskutierte eines Präsidenten der Inselrepublik mit ihren mehr als 100 Millionen Einwohnern. Er begrüßt nicht nur ausdrücklich solche Methoden, sondern stellt auch bei »erfolgreichen Eingriffen« Geldprämien und Medaillen in Aussicht. Am vergangenen Wochenende weitete er seinen Drogenkrieg auf über 160 namentlich aufgelistete Regierungsangestellte, Richter und Kongressabgeordnete aus. Sollten die sich nicht stellen, warnte er, werde man sie erschießen. »Dieser Krieg gegen kriminelle Drogenhändler ist mein Auftrag«, zitiert ihn Al-Dschasira, »und ich werde ihn bis zum Ende meiner Amtszeit ausführen, wenn ich dann noch lebe.«

Schon jetzt ist ein »Dutertismo« erkennbar, der dadurch gekennzeichnet ist, dass das Staatsoberhaupt mal knallhart kalkulierend, mal impulsiv eine Politik der Pendelschläge verfolgt. Einerseits werden rechtspopulistische, gar extrem reaktionäre Ressentiments bedient, um im nächsten Moment die Linken im Lande zu hofieren und deren Engagement für die Armen und Marginalisierten zu loben. Das verschafft zumindest für gewisse Zeit ein klassenübergreifendes Erfolgserlebnis: Die Reichen und Mächtigen wiegen sich in Sicherheit, die Armen hoffen, dass es »denen da oben« endlich mal an den Kragen geht.

Am 17. Juli hatte Duterte vor erstaunten ehemaligen Studenten des San Beda College of Law im Präsidentenpalast Malacañang erklärt: »Ich werde in den Ruhestand treten mit der Reputation eines Idi Amin (…) Mein Paradigma ist nicht das wie hier in Manila (…) Auf Mindanao­ (der größten Insel im Süden) greifen Leute zu den Waffen und töten. Warum sollte ich das ändern, was ich kenne? Das ist sehr wohl dem Lande dienlich«. Der ehemalige Diktator von Uganda, Idi Amin (1928–2003), hatte sein Land in den Ruin getrieben und wurde für den Tod von bis zu einer halben Million Menschen verantwortlich gemacht.

Bereits im Wahlkampf wurde Duterte immer wieder von den Medien mit dem US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump verglichen. Darauf angesprochen, wies er Ende März den Vergleich gegenüber Reportern der Nachrichtenagentur Associated Press zurück. »Trump ist ein Eiferer, ich nicht«, sagte er.

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