Junge Welt – Rainer W»Eine Kapitulation wird es von uns nie geben«
Friedensverhandlungen der philippinischen Regierung und der linken NDFP in Oslo. Ein Gespräch mit Luis G. Jalandoni
Interview: Rainer Werning
S 08 int.jpg / Foto: privat
Luis G. Jalandoni war Verhandlungsführer der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) bei den Friedensverhandlungen mit der philippinischen Regierung. Kurz vor Beginn der letzten Runde, die vom 6. bis 10. Oktober in Oslo stattfand, übergab er aus Altersgründen seinen Posten an seinen bisherigen Stellvertreter, Fidel V. Agcaoili.
(RW) Was sind aus Ihrer Sicht bislang die Höhepunkte der neuerlichen Friedensverhandlungen mit Vertretern des seit Ende Juni amtierenden neuen Präsidenten der Philippinen, Rodrigo Duterte?
(LGJ) Die seit Ende August in Oslo stattfindenden Gespräche haben bis jetzt
gute Ergebnisse gezeigt: Früher getroffene Vereinbarungen wurden vollauf
bestätigt ebenso wie Sicherheits- und Immunitätsgarantien unserer Berater. Darüber hinaus kamen beide Seiten überein, sich zügig den Themenkomplexen soziale und wirtschaftliche sowie politische und
verfassungsrechtliche Reformen zu widmen. Nun stehen die Beendigung von Feindseligkeiten und die Modalitäten einer Entwaffnung der
Guerillaeinheiten auf der Agenda. Bedeutsam war für unsere Seite, dass
ebenfalls Ende August 19 unserer Berater, die widerrechtlich inhaftiert
waren, auf freien Fuß gesetzt wurden und an den Gesprächen in Oslo
teilnehmen können. Ein beidseitiges Waffenstillstandsabkommen ist in
Kraft, und Präsident Duterte hat angekündigt, alle noch einsitzenden
politischen Gefangenen zu amnestieren.
Gehen Sie davon aus, bis Ende nächsten Jahres einen entscheidenden
Durchbruch oder gar Erfolg im Rahmen der Friedensverhandlungen verbuchen zu können?
Eine Vorausschau bis Ende 2017? Es ist schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt
eine Prognose zu wagen. Der erste große Test wird darin bestehen, eine
Vereinbarung über soziale und wirtschaftliche Reformen zu treffen. Hier
wird sich zeigen, wie die neue Regierung Anfeindungen pariert.
Was unterscheidet den Verhandlungsstil der Nationalen Demokratischen
Front der Philippinen, NDFP, von dem der kolumbianischen FARC in Havanna?
Wir lassen uns von der Grundmaxime leiten: Eine Kapitulation wird es von
uns nie geben. Oberstes Gebot der NDFP ist es, im Umgang mit
Repräsentanten der Republik der Philippinen auf Gleichheit und
Gegenseitigkeit zu beharren. Was die FARC betrifft, so werden wir deren
Vereinbarung mit der Regierung in Bogotá noch detailliert studieren.
Der »Drogenkrieg« des Präsidenten und die zahlreichen Hinrichtungen – ohne vorherige Gerichtsverhandlung – seit dessen Amtsantritt haben
international zu scharfen Protesten geführt. Wann werden die
fortschrittlichen und linken Kräfte die Duterte-Regierung für solche
Taten offen anprangern?
Die Kommunistische Partei der Philippinen hat in Stellungnahmen bereits
Dutertes Drogenkrieg als antidemokratisch und gegen die Interessen des
Volkes gerichtet kritisiert, was Sie auf unseren Websites nachlesen können.
Wird die neue Regierung einen tatsächlichen Wandel in Gesellschaft,
Politik und Wirtschaft einleiten, oder läuft deren Kurs eher auf ein
»Marcos-Revival« hinaus?
Kernstück des Friedensprozesses ist die Ausarbeitung eines umfassenden
Abkommens über sozioökonomische Reformen, wo es vor allem um die
Verzahnung von Landreform und nationaler Industrialisierung geht. Wir
haben die Grundzüge eines solchen Programms seit 18 Jahren ausgearbeitet und es mit zahlreichen fortschrittlichen und linken Kräften in den Philippinen abgestimmt. Diesem Programm kommt größere Bedeutung zu als die noch vom Obersten Gerichtshof zu treffende Entscheidung, ob der frühere Diktator Marcos tatsächlich auf dem Heldenfriedhof in Manila
seine letzte Ruhestätte findet. Bislang ist die Verhandlungsatmosphäre
vom guten Willen beider Seiten geprägt. #