junge Welt – Rainer Werning – Untoter Despot

Tageszeitung junge Welt / Berlin

Gegründet 1947 – Sa. / So., 19. / 20. November 2016, Nr. 269

Ausgabe vom 19.11.2016, Seite 8 / Ansichten

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https://www.jungewelt.de/2016/11-19/040.php

 

Untoter Despot

Ehrengrab für Ferdinand Marcos

 Von Rainer Werning

 

2.000 Sicherheitskräfte sicherten den Friedhof ab und hielten Journalisten und Demonstranten fern  //  Foto: Romeo Ranoco/Reuters

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Heldenbegräbnis für Diktator

 Praktisch ohne Vorankündigung ist der ehemalige philippinische Diktator Ferdinand Marcos am Freitag auf dem Heldenfriedhof in Manila beigesetzt worden. Mehr als 25 Jahre lang hatten Opfer der Marcos-Diktatur das Heldenbegräbnis verhindert. Imelda Marcos ließ ihren Ehemann in dieser Zeit in einem Glassarg aufbahren. Dank Familienfreund und Präsident Rodrigo Duterte wurde der Widerstand nun ausgehebelt. (dpa/jW)

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Der 18. November 2016 wird sich allen Filipinos, die unter der langjährigen Herrschaft von Präsident Ferdinand E. Marcos (1965–1986) gelitten und gegen sie gekämpft haben, als pechschwarzer Tag ins Gedächtnis einbrennen. Für all jene, die gar ihr Leben verloren haben im Kampf gegen den größten Despoten, Kleptokraten und Lügner, den der Inselstaat jemals hervorgebracht hat, steht dieses Datum für eine infame Verhöhnung.

Just 30 Jahre nach seinem Sturz infolge der »People Power Revolution« im Februar 1986 ist Marcos posthum das vergönnt worden, wofür sich seither seine Familie und beträchtliche Gefolgschaft (vor allem in der Heimatprovinz Ilocos Norte nördlich von Manila, wo sein einbalsamierter Leichnam in Batac in einem Mausoleum untergebracht war) mit Verve eingesetzt haben. Er wurde gestern klammheimlich auf Manilas Heldenfriedhof beigesetzt, nachdem der Oberste Gerichtshof des Landes am 8. November in einem 9:5-Votum dafür gestimmt hatte.

 

Nationalpolizei und Armee, die für die Logistik dieses aufwendigen Unternehmens verantwortlich waren, mimen die Unschuldigen. Sie seien, so ließen ihre Sprecher kundtun, »sehr spät über ihren Auftrag informiert worden«. Der Oberkommandierende der Streitkräfte, der seit Ende Juni amtierende Präsident Rodrigo R. Duterte, landete derweil in der peruanischen Hauptstadt Lima, wo am Samstag das diesjährige Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) beginnt. Duterte, ein eingefleischter Marcos-Fan, kommentierte das Staatsbegräbnis daheim nur knapp: »Marcos war ein Präsident und ein Weltkriegsveteran« und habe allein schon deshalb diese Ehre verdient, unabhängig davon, wie man seine Taten und seine Politik beurteile.

 

Die eigentliche Tragik liegt darin, dass die im Februar 1986 medial zelebrierte »People Power« alles andere war als eine Revolution oder ein tiefgreifender Wandel in Politik und Wirtschaft. Sie beflügelte die Rückkehr zu einer Elitendemokratie und einer in deren Interesse verfahrenden Justiz. Zur Erinnerung: In der kommenden Woche jährt sich zum siebten Mal das sogenannte Ampatuan-Massaker im Süden des Landes, bei dem 58 Menschen – darunter 32 Medienvertreter – bestialisch ermordet wurden. Die Hintermänner, einst stramme politische Verbündete der Herrschenden in Manila, sind bis heute nicht rechtskräftig verurteilt beziehungsweise befinden sich noch auf freiem Fuß.

 

Noch heute wird in landesweit verbreiteten Schulbüchern das Boss-Image von Marcos beschworen, der als vermeintlich großer Präsident einst angeblich Großartiges geleistet habe. Und noch heute sitzt Marcos’ Witwe Imelda als Abgeordnete des zweiten Distrikts von Ilocos Norte im Kongress, während in der Provinzhauptstadt Laoag City Tochter Imee als Gouverneurin residiert. Ein Schlag ins Gesicht linker und anderer fortschrittlicher Kräfte sowie der vitalen Zivilgesellschaft. Sie alle müssen sich gut überlegen, wie lange sie Marcos-Bewunderer Duterte noch die Stange halten wollen. #