Junge Welt – Rainer Werning – Präsident der Paramilitärs

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Tageszeitung junge Welt / Berlin

Gegründet 1947 – Mittwoch, 1. März 2017, Nr. 50

Ausgabe vom 01.03.2017, Seite 6 / Ausland

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 Menschenrechtler: Philippinischer Staatschef befehligte Todesschwadronen

 Von Rainer Werning

 

Anhänger von Rodrigo Duterte bekunden ihre Unterstützung für den Präsidenten (Manila, 25. Februar)

Foto: AP Photo/Bullit Marquez

 

Welch’ ein turbulenter Februarausklang! Noch nie sind die Gedenkfeiern zum Sturz des verhassten Regimes von Ferdinand Marcos im Jahr 1986 so unterschiedlich begangen worden, wie das am vergangenen Wochenende in

der philippinischen Hauptstadt Manila der Fall war. Vor 31 Jahren – vom 22. bis zum 25. Februar 1986 – hatten die Filipinos in ausgelassener Stimmung das Ende der Marcos-Diktatur gefeiert. Im Zuge der damaligen »People Power Revolution« waren Hunderttausende friedlich auf die ausladende Epifanio de los Santos Avenue (EDSA), die wichtigste Verkehrsader der Metropole Manila, geströmt, um gemeinsam mit meuternden Soldaten zu beten und zum Stillstand gebrachte Panzer mit Blumen zu umkränzen. Corazon Aquino, die Witwe des im August 1983 erschossenen Exsenators und Marcos-Rivalen Benigno »Ninoy« Aquino, zog als gefeierte Demokratieikone in den Präsidentenpalast zu Manila ein.

Und 31 Jahre später? Von national vereinter Euphorie in Erinnerung an »People Power« keine Spur. Im Gegenteil: Drei Lager brachten jeweils ihre Anhänger in Position und reklamierten auf höchst unterschiedliche Weise für sich die Deutungshoheit über die EDSA-Ereignisse. Die Regierung spielte diese bewusst herunter und erinnerte an sie in einem kleinen Kreis in Camp Aguinaldo, dem Hauptquartier der Streitkräfte. In Manilas Rizal-Park bejubelte derweil eine Menge (inklusive zahlreicher Marcos-Freunde) ihr Idol »Digong« beziehungsweise »Rody«, wie Präsident Rodrigo Duterte abwechselnd von seinen Anhängern genannt wird. Gleichzeitig machten Duterte-Gegner entlang der EDSA in der Nähe des People Power Monument mobil und warnten angesichts von annähernd 8.000 Todesopfern in Dutertes »Antidrogenkrieg« vor einer neuerlichen Despotie.

 

Hässlich war der Auftritt von Justizminister Vitaliano Aguirre II., der die im Rizal-Park versammelten Demonstranten befragte, gegen wen seine Behörde als nächsten ermitteln solle. Unisono schallte es zurück: »Trillanes! Trillanes!«. Senator Antonio Trillanes IV. gilt neben Senatorin Leila de Lima als schärfster Kritiker Dutertes im 24köpfigen Senat. De Lima war am 24. Februar festgenommen und inhaftiert worden. Ihr wird vorgeworfen, als Justizministerin von 2010 bis 2016 inhaftierte Drogenbarone protegiert und mit von diesen erhaltenen Schmiergeldern ihren Wahlkampf im Frühjahr 2016 finanziert zu haben. Trillanes beschuldigt den Präsidenten, sich unrechtmäßig bereichert und

beträchtliche Gelder in verschiedenen Banken gebunkert zu haben.

 

Obwohl sich der Präsident trotz seines »Antidrogenkrieges« nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, gerät er nun zunehmend in Erklärungszwang. Nach Edgar Matobato hat ihn mit Arturo Lascañas ein weiterer pensionierter Polizist schwer belastet. Duterte, so Lascañas in Begleitung von drei Menschenrechtsanwälten der angesehenen Free Legal Assistance Group (FLAG) auf einer Pressekonferenz am 20. Februar in Manila, soll in seiner Zeit als Bürgermeister von Davao City die

städtische Todesschwadron (Davao Death Squad, DDS) direkt befehligt haben, auf deren Konto weit über 1.000 Morde gingen. Für Auftragsmorde an (Klein-)Kriminellen und politischen Gegnern zahlte Duterte laut Lascañas umgerechnet zwischen 400 und 2.000 Euro. Duterte hatte sich in der Vergangenheit mehrfach damit gebrüstet, in »seiner Stadt« selbst Menschen getötet zu haben. Regierungssprecher wischten Lascañas’ Ausführungen mit der Bemerkung flugs vom Tisch, der Präsident solle durch Rufmord »zerstört« werden.

 

Kritik muss sich der Präsident auch wegen seiner abrupten Aufkündigung der Friedensverhandlungen mit dem linken Untergrundbündnis der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) gefallen lassen. Nach bislang drei erfolgreich verlaufenen Verhandlungsrunden ließ die Regierungsseite Ende Februar ein zuvor vereinbartes Zusammentreffen mit der NDFP in den Niederlanden platzen, bei dem es um die Modalitäten eines bilateralen Waffenstillstandsabkommen