Im Osten nichts Neues

Tageszeitung junge Welt / Berlin

02.05.2011 / Ausland / Seite 7

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Jüngste Nordkoreareise des US-amerikanischen Expräsidenten James

Carter blieb im Ergebnis mager

 

Rainer Werning

 

Das hatte sich der frühere US-Präsident James Carter doch anders

vorgestellt. Sein dritter Besuch in Nordkorea, der ihn vom 26. bis zum

28. April in die Volksrepublik führte, verlief ohne konkrete Ergebnisse,

wenngleich im Vorfeld der Stippvisite hohe Erwartungen daran geknüpft

wurden. Schließlich hatte sich der Elder Statesman und

Friedensnobelpreisträger 2002 erhofft, einen Prozeß initiieren zu

können, um das seit dem Ende des Koreakrieges am 27. Juli 1953 lediglich

bestehende Waffenstillstandsabkommen schrittweise in eine

friedensvertragliche Regelung auf der koreanischen Halbinsel zu

überführen. Das klappte letztlich ebenso wenig wie ein Zusammentreffen

mit Nordkoreas mächtigem Vorsitzenden der Nationalen

Verteidigungskommission und »Geliebten Führer«, Kim Jong Il.

Kein Treffen mit Kim

 

Noch vor dem Abflug nach Pjöngjang hatten Carter und die ihn diesmal

begleitenden ehemaligen Staats- und Regierungschefs Martti Ahtisaari

(Finnland), Mary Robinson (Irland) und Gro Harlem Brundtland (Norwegen)

in Peking den Wunsch geäußert, von Kim und seinem als Nachfolger

designierten Sohn Kim Jong Un empfangen zu werden. Stattdessen fanden

lediglich Gespräche mit Nordkoreas Außenminister Pak Ui Chun und dem

Präsidenten der Obersten Volksversammlung (dem Parlament), Kim Yong Nam, statt. Letzterer nimmt seit dem Tod des »Großen Führers« Kim Il Sung im Juli 1994 – laut geltender Verfassung bleibt dieser »ewiger Präsident« –

repräsentative Aufgaben wahr, die zuvor Kim Il Sung selbst ausgeübt hatte.

 

Bereits im Vorfeld und während der Reise von Carter und Co. waren

Diplomaten in Washington und Seoul gleichermaßen bemüht, die

Vermittlungsversuche in ihrer Bedeutung herunterzuspielen. Namentlich

nicht genannte Quellen in den Außenministerien beider Länder

charakterisierten die Visite als »idealistisch« und »naiv«. Bei seinen

beiden früheren Besuchen in der Volksrepublik hatte Carter wenigstens

zur Mäßigung im schwelenden Atomkonflikt beigetragen. Im vergangenen

Jahr bekam er einen in Nordkorea gefangengehaltenen US-Bürger frei.

»Diesmal ist das nicht einmal eine groß erwähnenswerte Geschichte«,

kritisierte beispielsweise Michael Green, Vorsitzender der Japanabteilung im Washingtoner Center for Strategic and International Studies. »Die meisten amerikanischen Experten wissen mittlerweile, daß Carter seine eigene Mission verfolgt und seine eigene Analyse der Lage hat. Es ist dies seine rein persönliche Agenda«, so Green.

 

Offizielle Visite bevorzugt

 

Das scheint denn auch der Hauptgrund dafür gewesen zu sein, daß Kim Jong

Il nicht persönlich mit der Delegation konferierte. Ein offizieller Besuch wie seinerzeit im Oktober 2000, als US-Außenministerin Madeleine Albright in die Volksrepublik reiste, wäre der nordkoreanischen Führung im Augenblick weitaus lieber. Denn oberstes Kalkül ihrer Außen- und Sicherheitspolitik ist und bleibt wohl das Motto: »Wenn wir in der internationalen Staatengemeinschaft schon nicht als Freund geachtet, so wollen wir international wenigstens auf Augenhöhe, als ebenbürtiger Feind geächtet werden!« Nicht mehr, nicht weniger.

 

Nach Pjöngjang legten Carter und seine Entourage einen Zwischenstopp in

der südkoreanischen Metropole Seoul ein. Dort trafen sie unter anderem

mit dem Minister für Vereinigung, Hyun In Taek, zusammen. Bei einer

anschließenden Pressekonferenz über die Reise in den Norden war weniger

von den großen Konfliktlösungen auf der Halbinsel die Rede als von der

Lebensmittelkrise in Nordkorea. Diese spitzt sich laut Einschätzungen

der Vereinten Nationen dramatisch zu, so daß etwa sechs Millionen

Nordkoreaner und damit ein Viertel der Bevölkerung dringend auf

Nahrungsmittelhilfen angewiesen seien. Da Südkorea entsprechende Hilfen

drastisch reduzierte, werden wohl internationale NGOs einspringen. Dafür

hatte sich die Carter-Delegation ausdrücklich stark gemacht. #

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