Junge Welt – Rainer Werning – Etappensieg: Nordkorea kündigt Teststopp an

Tageszeitung junge Welt / Berlin

Gegründet 1947 – Montag, 23. April 2018, Nr. 93

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 GASTKOMMENTAR von Rainer Werning

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Foto: Ahn Young-Joon/AP/dpa

 

Rainer Werning ist Koautor des jüngst in der Edition Berolina erschienenen Buches »Brennpunkt Nordkorea«.

 

Die Regierung der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK bzw.

Nordkorea) hat angekündigt, weitere Atom- und Raketentests auszusetzen

und eine nukleare Testanlage zu schließen. Die nordkoreanische

Nachrichtenagentur KCNA zitierte am Sonnabend Regierungschef Kim Jong

Un mit den Worten, die DVRK habe glaubwürdig die Entwicklung von

Nuklearwaffen erreicht und bemühe sich fortan um nukleare Abrüstung.

»Unsere Republik wird sich der globalen Anstrengung anschließen,

Nukleartests komplett einzustellen«, wird Kim aus einer Sitzung des

Zentralkomitees der herrschenden Partei der Arbeit Koreas vom Freitag

zitiert.

 

Diese Ankündigung kommt wenige Tage vor dem Gipfeltreffen Kims mit dem

südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In Ende dieser Woche im Grenzort

Panmunjom. Für Ende Mai oder Anfang Juni wird sodann ein Gipfeltreffen

von US-Präsident Donald Trump mit Kim erwartet, dessen Austragungsort

(fünf bis sechs Hauptstädte sind im Gespräch) allerdings noch nicht

feststeht. »Das sind sehr gute Nachrichten für Nordkorea und für die

Welt«, schrieb Trump auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. »Großer

Fortschritt! Ich freue mich auf unser Gipfeltreffen.«

 

Weitaus mehr Grund zur Freude herrscht derweil in Nordkoreas Hauptstadt

Pjöngjang. Deren Außenpolitiker und Diplomaten haben zweifellos einen

bedeutsamen Etappensieg im Atomstreit mit den USA gewonnen. Gemäß

kalkulierter und strikt systemimmanenter Logik ist es ihnen gelungen,

wenn schon international nicht als Freund geachtet, so doch wenigstens

als Feind auf Augenhöhe geächtet zu werden.

 

Bis vor kurzem galt im politischen Washington als ausgemacht, eine

nukleare Abrüstung (Denuclearization) seitens Nordkoreas sei undenkbar,

weil Kim eine solche Idee strikt ablehne. Man habe deshalb nur zwei

Optionen: Entweder ein atomar bewaffnetes Korea zu akzeptieren oder

»maximalen Druck« auszuüben – und dabei einen Krieg zu riskieren. Doch

wie ausgerechnet Südkoreaner feststellen konnten, ist diese Auffassung

grundfalsch. Kim Jong Un fühlt sich immer noch der ursprünglichen Vision

eines atomaren Abrüstungsabkommens mit den US-Amerikanern verpflichtet, die sein Vater vor dessen Tod im Jahr 2011 zu verwirklichen versucht hatte.

 

Es war Chung Eui Yong, Südkoreas Vorsitzender des Nationalen

Sicherheitsrates und Nordkorea-Sonderemissär von Präsident Moon Jae In,

der Anfang März über sein Treffen mit Kim Jong-Un in Pjöngjang

bekanntgab, dass Kim Jong Un Donald Trump einen Plan über die

vollständige atomare Abrüstung überreichen will, und zwar in Verbindung

mit einer Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea. Laut Chung stellte Kim Jong Un klar: »Die nukleare Abrüstung der

Koreanischen Halbinsel sei eine Anweisung seines Vorgängers, und es habe

keinerlei Änderung einer solchen Anweisung gegeben.« #