Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen in den Philippinen, Teil 9

Zusammengestellt aus Artikeln aus Bulatlat vom 01.07.-15.07.2020, Bildnachweis: Bulatlat.com

 

Menschenrechtsverletzungen (allgemein):

Nach einem Bericht der UN-Hochkommissarin Michelle Bachelet wurden von Januar 2015 bis Dezember 2019 208 MenschenrechtsverteidigerInnen, JournalistInnen und GewerkschafterInnen ermordet. Es gab 456 Opfer versuchter Tötung, 3531 illegale Festnahmen, 214 Folteropfer, 85 Opfer illegaler Durchsuchungen und Festnahmen, sowie 456 103 Betroffene von erzwungenen Evakuierungen. Unter Duterte wurden 635 AktivistInnen festgenommen und inhaftiert. Nicht mitgezählt sind hier tausende von Menschen, die im sog. „Krieg gegen Drogen“ ermordet wurden.

Kritik am Anti-Terror-Gesetz

Am 3.7.2020 hat Duterte das Anti-Terror-Gesetz unterzeichnet.

Mehr als 1000 Menschen marschierten einen Tag nach der Unterzeichnung des Gesetzes zur Universität Diliman Avenue. Darunter Mitglieder von Piston, Bahaghari (LGBTIQ), der frühere Abgeordnete der fortschrittlichen Parteiliste Anakpawis, Ariel Casilao und die bekannte Satirikerin Mai Paner.

 

Am 6.7.2020 reichte der fortschrittliche Makabayan-Parteilisten-Block eine Petition beim Obersten Gerichtshof (SC) gegen das Anti-Terror-Gesetz ein. Sie fordern den SC auf, das Gesetz für verfassungswidrig zu erklären. Mehrere Absätze würden die Verfassung eindeutig verletzen,

z.B. das Recht auf freie Aussprache. Die Mitglieder des von Duterte ernannten Anti-Terror-Rates seien Kabinettsmitglieder und der Vorstand des Anti-Geldwäscherates allesamt Gefolgsleute des Präsidenten. Zuvor hatten schon drei RechtsanwältInnen Petitionen gegen das Anti-Terror-Gesetz eingereicht.

Beverly Longid, globale Koordinatorin der internationalen Indigenen Volksbewegung für Selbstbestimmung und Befreiung stellte fest, dass mit der Unterzeichnung des Anti-Terror-Gesetzes die indigenen Völker und ihre Gemeinden in großer Gefahr sind. Sie appellierte an die Mitgliedstaaten der UN, den Bericht der Hochkommissarin für Menschenrechte einschließlich ihrer Empfehlungen anzunehmen.

Während der Pandemie haben Menschenrechtsgruppen dringend benötigte Hilfe an indigene Gemeinden und ländliche Arme geliefert. Diesen Bemühungen wurden mit Checkpoints und anderen Schikanen entgegengewirkt. 35 Menschen wurden gefangen genommen und inhaftiert.

Das Anti-Terror-Gesetz bringt Umweltschutz- und KlimaaktivistInnen in den Philippinen in Gefahr. Die bekannte schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg und andere internationale FührerInnen der Klimabewegung verpflichten sich jetzt dazu, die philippinische UmweltschützerInnenkampagne gegen das neue Anti-Terror-Gesetz zu unterstützen. Greta sandte eine Solidaritätsvideobotschaft und startete mit anderen eine Petition gegen das neue Gesetz. Allein im Jahre 2019 wurden nach Aussage von Kalikasan 47 UmweltschützerInnen in den Philippinen ermordet.

Auswirkungen des Anti-Terror-Gesetzes

24 Stunden nach Unterzeichnung des Anti-Terror-Gesetzes gab es erste Festnahmen von 11 AktivistInnen, die eine Protestaktion gegen das neue Gesetz durchgeführt hatten, in der Gemeinde Pulo in Cabuyao, Laguna. Unter den Festgenommenen befanden sich Mitglieder von Karapatan, Bayan, Gabriela, Liga St., Piston, Kabataan Parteiliste und Pamantik-KMU.

Die Auflösung der Protestaktion fand gewaltsam statt und führte zu Verletzungen.

In einem Brief der AFP an den Bürgermeister von Cabuyao wurde die Gemeinde Pulo als „Nervenzentrum“ der kämpferischen, ergo gewalttätigen Gewerkschaftsbewegung in der Region und als Jugendrekrutierungszentrum bezeichnet.

Es zeigt sich, dass mit dem neuen Gesetz kein Terrorismus bekämpft werden, sondern der demokratische Widerstand erstickt werden soll.

Die gefangen genommenen LGBTQI-ProtestteilnehmerInnen berichteten über ihre Horror-Erfahrungen während der gewaltsamen Auflösung ihres Protestes in Mendiola (s.Teil 8) und ihre zeitweilige Inhaftierung. Sie reichten strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Anklagen im Büro des Ombudsmannes gegen 32 Polizisten in Manila ein: Wegen unrechtmäßiger Festnahme, leichten körperlichen Verletzungen, schlechter Behandlung, Autodiebstahl und gender basierter sexueller Schikanen.

Eine versuchte Festnahme der bekannten Generalsekretärin von KARAPATAN Cristina Palabay mittels eines als LBC-Kurier verkleideten Polizeiseargents schlug fehl, weil Frau Palabay den Trick schnell durchschaute.

Am 7. bzw. 9. Juli 2020 wurden Jenelyn Nagrampa, stellvertretende nationale Vorsitzende von GABRIELA in Nabua, Camarines Sur und der Pastor Dan San Andres von der Vereinigten christlichen Kirche in den Philippinen (UCCP, Sprecher von KARAPATAN in Bicol, in Sipocot, Camarines Sur festgenommen. Sie werden des Doppelmordes beschuldigt in Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Überfall der NPA im Jahr 2018, der zum Tod von zwei Soldaten führte.

Beide hatten im Dezember 2018 Erwiderungen geschrieben, in denen sie eine Beteiligung an dem Überfall abstritten. Der Pastor sagte, dass er an jenem Tag eine Messe in der Kirche gehalten habe. Nagrampa hat sich nach ihren Aussagen an einer Gemeindewahlkampagne beteiligt.

KARAPATAN und GABRIELA fordern die sofortige Freilassung der beiden.

Hausbesuche“

Innenminister Eduardo Ano hat bekannt gegeben, dass die Polizei jetzt Haus-zu-Haus-Besuche durchführen werde, um Covid-19 asymptomatische PatientInnen aufzufinden. Diese sollen dann in von der Regierung betriebene Gebäude transferiert werden.

Die fortschrittliche Rechtsanwältevereinigung NUPL befürchtet, dass die „Besuche“ dazu benutzt werden, regierungskritische Menschen auszuspionieren.

Zudem erinnerte Cristina Palabay von KARAPATAN, dass auch bei der Anti-Drogen-Kampagne Haus-zu-Haus-Besuche durchgeführt wurden, die zu Tausenden grausamen Hinrichtungen geführt hätten.

Sarah Elaga, Abgeordnete der fortschrittlichen Jugendparteiliste Kabataan befürchtet zudem, dass PolizistInnen die Krankheit weiter verbreiten könnten.

Kredite

Die Duterte-Regierung hat hohe Kredite aus dem Ausland erhalten, um den Erfordernissen der Corona-Pandemie gerecht zu werden,z.B. Von der Asiatischen Entwicklungsbank, der Weltbank, der Französischen Agentur für Entwicklung u.a.

Trotz wesentlich höherer Kredite hat die Regierung 17,5 Milliarden Haushalten nur 98,3 Milliarden Pesos gegeben (Stand 27. Juni 2020). Laut Ibon sind das pro Familie 53 Pesos oder 12 Pesos (ca.24 Cent) pro Person am Tag für die letzten 106 Tage, seitdem die Ausgangssperre besteht. Die Verabschiedung des Anti-Terror-Gesetzes zeigt, welche Prioritäten die Regierung während der Corona-Pandemie setzt.

Laut Ibon sind 989 Milliarden Pesos für Infrastrukturmaßnahmen in 2020 geplant. 541 Milliarden gehen davon in die Begleichung von Schulden, 582 Milliarden sind für Kapitalzahlungen vorgesehen. Zudem sollen durch eine geplante Absenkung der Einkommenssteuer 667 Milliarden Pesos für die Unterstützung von privaten Firmen frei werden.

„Die Armen werden zurückgelassen!“, so Sonny Africa, Exekutivdirektor von Ibon.