Junge Welt – Rainer Werning – Freudiges Wiedersehen in Oslo

20.08.2016 / Ausland / Seite 7

Philippinischer Präsident Duterte lässt Berater von Linksbündnis auf Kaution frei. Neue Friedensgespräche in norwegischer Hauptstadt am Montag

Von Rainer Werning

Solche Erlebnisse sind selten – vom Knast per Jet direkt an den Verhandlungstisch. Mitte der Woche hat der seit dem 30. Juni amtierende Präsident der Philippinen, Rodrigo R. Duterte, eines seiner Wahlversprechen eingelöst und den Großteil der insgesamt 22 Berater des im Untergrund operierenden Linksbündnisses der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Bereits am Montag sollen sie bei der formellen Wiederaufnahme von Friedensgesprächen unter der Schirmherrschaft des norwegischen Außenministeriums in Oslo zugegen sein. Diese erste Verhandlungsrunde wird bis zum 27. August dauern.

Beide Seiten zeigten sich erfreut über die plötzliche Wende. Arbeitsminister Silvestre Bello III., der gemeinsam mit Jesus Dureza die Regierung bei den Verhandlungen repräsentiert, erklärte am Donnerstag gegenüber Journalisten in Manila: »Der Präsident hat die Einwanderungsbehörde und das Außenministerium angewiesen, unverzüglich die notwendigen Papiere für die Ausreise der NDFP-Berater auszustellen. Er unterstreicht damit sein Ansinnen, eine Extrameile für den Frieden zu gehen.«

Lächelnd präsentierten sich die langjährigen politischen Gefangenen wie Ruben Saluta, Tirso Alcantara, Alan Jazmines, Renante Gamara und Ernesto Lorenzo ebenfalls der Presse. Das von den Behörden als hochrangige Kader der Kommunistischen Partei (CPP) eingestufte Ehepaar Benito Tiamzon und Wilma Austria zeigte sich vor zahlreich erschienenen Anhängern und Genossen mit erhobener Faust; beide erklärten: »Wir danken Präsident Rodrigo Duterte dafür, dass er uns freigelassen hat und den Weg für die Wiederaufnahme von Gesprächen ebnet. Es wird weitgehender und umfassender Reformen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, verfassungsrechtlichen sowie politischen Bereich bedürfen, um ein Ende des bewaffneten Kampfes einzuleiten.« Die CPP und ihre Guerilla­organisation, die Neue Volksarmee (NPA), sind Teil der NDFP.

Seit nunmehr drei Jahrzehnten verhandeln beide Seiten über eine dauerhafte Friedensregelung, die allerdings bislang in einem ständigen Auf und Ab ergebnislos endete. Unterstellte die Regierungsseite der NDFP in der Vergangenheit mangelnde Ernsthaftigkeit, konterte das von Luis Jalandoni geführte NDFP-Verhandlungsteam mit dem Argument, die Regierung halte sich nicht an getroffene Vereinbarungen. Kritischer Punkt war stets das beidseitig ausgehandelte Abkommen über Sicherheits- und Immunitätsgarantien. Wiederholt verstießen die Vorgänger Dutertes dagegen und ließen ausgewiesene und mit gültigen Papieren versehene NDFP-Berater unter fadenscheinigen oder gestellten Anklagen wie Mord und illegalen Waffenbesitz hinter Gitter sperren. Auf diese Weise wurden politische Gefangene – landesweit sind dies noch etwa 550 – kriminalisiert. Bei solchen Verbrechen ist es nicht möglich, auf Kaution freizukommen, während beispielsweise der Tatbestand der Rebellion diese Möglichkeit vorsieht.

Noch Ende vergangenen Monats war es zwischen dem Präsidenten und José Maria Sison, dem seit 1987 im niederländischen Utrecht im Exil lebenden CPP-Gründungsvorsitzenden und politischen Chefberater der ­NDFP, zu einem heftigen Schlagabtausch gekommen. Duterte hatte während seiner ersten Rede an die Nation am 25. Juli einen einseitigen Waffenstillstand erklärt, ohne allerdings – wie in solchen Fällen üblich – der anderen Seite das genaue Prozedere mitzuteilen. Da es nach dem 25. Juli dennoch zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und NPA-Einheiten kam, in deren Verlauf Polizisten starben, setzte Duterte der CPP-NPA ein Ultimatum. Sison, der einst Lehrer des Präsidenten war, nannte ihn umgehend einen »Ganoven«, der nicht einfach herumkommandieren könne.

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