Junge Welt – Rainer Werning – Kommunisten nicht unterzukriegen

Tageszeitung junge Welt / Berlin

Gegründet 1947 – Montag, 3. April 2017, Nr. 79

Ausgabe vom 03.04.2017, Seite 7 / Ausland

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Philippinen: KP-Führung verjüngt sich. Guerillaorganisation feiert Geburtstag

 

Von Rainer Werning

 

Guerilleros der Neuen Volksarmee (NPA) während eines Fests am 28. Dezember 2016 in Sierra Madre in der Provinz Quezon

Foto: dpa/Pat Roque

 

Ungewohnte Bilder anlässlich eines ungewöhnlichen Ereignisses: Anfang letzter Woche, vor allem am vergangenen Mittwoch, hielten teils vermummte Mitglieder und Sympathisanten der maoistisch orientierten Neuen Volksarmee (NPA) in Manila und Davao City, der größten Stadt im Süden der Philippinen, Spontandemonstrationen ab. So schnell sich die Demonstranten versammelt hatten, so rasch lösten sich die Zusammenkünfte auch wieder auf. Auf diese öffentlichkeitswirksame Weise erinnerten sie an den 48. Gründungstag der NPA, die seit dem 29. März 1969 als Guerillaorganisation der drei Monate zuvor entstandenen, illegalisierten Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) fungiert.

Ebenfalls am 29. März publizierte die CPP ein Komuniqué, in dem sie erstmals über ihren 2. Parteikongress berichtete, der bereits vom 24. Oktober bis zum 7. November letzten Jahres stattfand. Die Botschaft war eindeutig: Die Partei und ihre Volksarmee sind nicht unterzukriegen, und als Teil des linken Untergrundbündnisses der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) gehen sie gestärkt in die vierte offizielle Verhandlungsrunde von Friedensgesprächen mit der Regierung in Manila. Diese Gespräche finden vom 2. bis zum 6. April unter der Schirmherrschaft des norwegischen Außenministeriums im holländischen Seebad Noordwijk aan Zee statt.

 

Auf ihrem 2. Nationalkongress, an dem 120 Delegierte teilnahmen, wählte die CPP ein neues Zentralkomitee und Politbüro. Da die alte Führungsriege um den CPP-Gründungsvorsitzenden José María »Joma« Sison auf die Achtzig zugeht, sind die jetzigen leitenden Parteikader mehrheitlich Mitvierziger. »Das Parteiprogramm bekräftigt die Notwendigkeit«, heißt es in dem CPP-Komuniqué vom 29. März, »am

bewaffneten Kampf festzuhalten, um so der bewaffneten Gewalt seitens der US-Imperialisten und ihrer lokalen reaktionären herrschenden Klassen zu begegnen und das unterdrückerische und ausbeuterische semikoloniale und semifeudale System zu überwinden.«

 

Gleichzeitig unterstreicht die CPP ihre Position, die Friedensverhandlungen mit der Regierung fortzusetzen, wenngleich ihre Kader und Kämpfer vor »den Gefahren einer Befriedung infolge eines länger anhaltenden Waffenstillstands ohne substanzielle Errungenschaften für das philippinische Volk« gewarnt werden.

 

Vor gut drei Jahrzehnten, als im Februar 1986 die Marcos-Diktatur stürzte, war die NPA nach Einschätzung US-amerikanischer Militärexperten »die weltweit am schnellsten wachsende Guerillabewegung« mit seinerzeit zwischen 25.000 bis 30.000 Kombattanten. Mit Ausnahme von Vietnam, Laos und Kambodscha sind in den anderen Ländern Südostasiens – wie beispielsweise in Indonesien, Malay(si)a und Thailand – einst starke kommunistische Parteien von der politischen Bühne verschwunden oder durch harsche »Counterinsurgency« (Aufstandsbekämpfung) in die Knie gezwungen worden. Nicht so die CPP-NPA-NDFP. Wenngleich es innerhalb der

Partei in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zu erbitterten Debatten über die zu wählende Strategie und Taktik kam, ist es den philippinischen Streitkräften und der Nationalpolizei nicht gelungen, ihr das Rückgrat zu brechen.

 

Die NDFP ist ein Bündnis von 17 Mitgliedsorganisationen, das am 24. April 1973 im politischen Untergrund entstand. Im November 1977 veröffentlichte die Front ihr Zehn-Punkte-Programm, das später zu einem Zwölf-Punkte-Programm erweitert wurde. Oberstes Ziel ist die Schaffung einer »Volksdemokratischen Republik der Philippinen«. Zu den Minimalzielen, die bereits vielerorts im Hinterland umgesetzt werden, zählen: Verringerung der Ernteabgaben an (Groß-)Grundbesitzer, Abschaffung beziehungsweise Senkung von Wucherzinsen, Basisgesundheitsdienste für die ländliche Bevölkerung und Organisierung kollektiver Gegenwehr gegen Privatarmeen, die im Auftrag mächtiger Regionalpolitiker und/oder ausländischer Firmen vor allem in der Holzindustrie und im Bergbau operieren. #