Junge Welt – Rainer Werning – »Goebbels« gegen Pistolero

Tageszeitung junge Welt / Berlin

Gegründet 1947 – Freitag, 29. April 2016, Nr. 100

Seite 6 / Ausland

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    Der Wahlkampf in den Philippinen ist hauptsächlich von persönlichen

    Anfeindungen geprägt

 

Von Rainer Werning

 

»Generation Schluck«: Ein Supermarkt in Manila macht Werbung mit den

fünf Präsidentschaftskandidaten

Foto: REUTERS/Erik De Castro

 

Am 9. Mai wird in den Philippinen ein neuer Präsident gewählt. Die etwa 55 Millionen Wahlberechtigten können dann zwischen fünf Bewerbern entscheiden. Der Wahlkampf gestaltete sich bisher als Macho-Schlacht und Zurschaustellung persönlicher Animositäten, über die programmatischen Ziele der Kandidaten wurde wenig bekannt.

In Umfragen liegt Rodrigo Duterte von der Partido Demokratiko Pilipino – Lakas ng Bayan (Demokratische Partei der Philippinen – Stärke des Volkes) vorn. Der 71jährige Bürgermeister der Stadt Davao im Süden des Inselstaates ist

zugleich ein gutes Beispiel für die Art der Kampagnenführung in den Philippinen: Seinem Konkurrenten Manuel A. Roxas II. von der Liberalen Partei hat er bereits Prügel angedroht und ihn in Wildostmanier zum Pistolenduell herausgefordert. Begründung: »Die Reichen haben zu viel Schiss vor dem Tod!«

 

Der frühere Innenminister Roxas, immerhin vom amtierenden Präsidenten

Benigno Aquino III. als dessen Nachfolger an der Staatsspitze

vorgeschlagen, hat keinen leichten Stand. Duterte nannte ihn einen

»kläglichen Versager«, der bei Katastrophen nur sein bourgeoises Ego

gepflegt habe, anstatt Hilfsbedürftige unbürokratisch zu unterstützen.

Seine Umfrageergebnisse sind mäßig, weil er als unterkühlter Technokrat

bei der Masse der Wähler nicht ankommt. Mächtig ist er dennoch: Roxas

gehört einer alteingesessenen Politikerkaste an, sein Großvater Manuel

Acuña Roxas hatte während des Zweiten Weltkriegs mit den japanischen

Besatzern kollaboriert und wurde 1946 mit Unterstützung des US-Generals

Douglas MacArthur ins Präsidentenamt gehievt. Enkel Roxas ließ sich in

den USA zum Wirtschaftsfachmann und Investmentbanker ausbilden und

verfolgt einen stramm neoliberalen Kurs.

 

Ebenfalls aus dem Politestablishment entstammt der amtierende

Vizepräsident Jejomar Binay von der United Nationalist Alliance, der

aber immerhin den Schwerpunkt seiner Politik auf Verbesserungen im

Gesundheitsbereich legt. Binay, der seinen Widersacher Roxas auch schon

als »Goebbels der Liberalen Partei« beschimpfte, dominierte mit seiner

Familie lange Jahre das politische Geschehen in Manilas Geschäfts- und

Finanzdistrikt Makati, dessen Bürgermeister er war. Im Sommer 2015

überwarf er sich jedoch mit Staatschef Aquino und sah sich in der Folge

mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Diese wies er als politisch

motiviert zurück.

 

Mit Widrigkeiten anderer Natur hatte Grace Poe zu kämpfen. Die

unabhängige Kandidatin musste für die Genehmigung ihrer Kandidatur bis

vor den Obersten Gerichtshof des Landes ziehen, da ihre

Staatsbürgerschaft als Findelkind und adoptierte Tochter eines bekannten

Schauspielerehepaars ungeklärt ist. Sie hatte zeitweilig die

US-amerikanische Staatsbürgerschaft und dann erneut die philippinische

angenommen. Erst Anfang dieses Jahres entschied das Gericht zu ihren

Gunsten, ihre Mitbewerber befanden sich da längst im Wahlkampf. Bis auf

ihren Einsatz für die Armen und Marginalisierten hat sie sich bislang

programmatisch nur vage geäußert. Als politische Newcomerin – Poe wurde

erst 2013 in den Senat gewählt – wurde sie auch vom Aquino-Roxas-Team

umworben.

 

Wesentlich länger im Geschäft ist die Senatorin Miriam Defensor Santiago

von der People’s Reform Party, die bereits in der Judikative, in der

Legislative und in der Exekutive diente. Die gewandte Rednerin kämpft

seit Jahren für Transparenz, ein reformiertes Justizsystem, eine saubere

und effektive Verwaltung und den Aufbau programmatisch ausgerichteter

Parteien.

 

Santiago fehlt allerdings die öffentliche Wirkung Dutertes, der sich

bisher mit markigen Worten und schrillen Auftritten erfolgreich als

oberster Kämpfer gegen Korruption und Verbrechen gerierte. Im Falle

eines Wahlsiegs will er diese Übel innerhalb eines halben Jahres

beseitigen. Zudem propagiert der Präsidentschaftskandidat die Umwandlung

des Präsidialsystems in ein föderales. #

 

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29.04.2016 – »Goebbels« gegen Pistolero (jW)