Junge Welt – Rainer Werning – Liebesgrüße von Frau Marcos

03.05.2016 / Ausland / Seite 7

Wer in den Philippinen Wahlen gewinnen will, braucht gute Verbindungen und reichlich Geld

Von Rainer Werning

Am 9. Mai finden in den Philippinen Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen statt. Imelda Marcos, ehemalige First Lady und Witwe des 1989 im Hawaier Exil verstorbenen Diktators Ferdinand E. Marcos, will erneut an der Macht im Staat teilhaben. Ihr Sohn, Senator Ferdinand Romualdez Marcos Jr., bekannt unter seinem Spitznamen »Bongbong«, kandidiert für das Amt des Vizepräsidenten und liegt in aktuellen Umfragen auf Platz eins.

»Ich bin jetzt 86 Jahre alt, doch mein Herz schlägt noch immer mit euch. Die Liebe zu meinen Mitmenschen hier und für mein Land bleibt stark und ungebrochen«, erklärte Imelda, ein Spross des Romualdez-Clans auf der zentralphilippinischen Insel Leyte, während mehrerer Wahlveranstaltungen in der vergangenen Woche. In Tacloban, der Hauptstadt Leytes, zeigte sie sich sichtlich vergnügt inmitten ihres erweiterten Familienkreises. Umringt von ihrem Sohn und ihren Verwandten Ferdinand Martin, Cristina und Yedda Romualdez gab sich die alte Dame siegessicher. »Wenn ihr Marcos und den Romualdezes eure Stimmen gebt«, rief Imelda der Schar jubelnder Anhänger zu, »werdet ihr Imelda als eure Landesmutter haben, deren Liebe zu den Filipinos grenzenlos ist«. Die drei Romualdezes bewerben sich am 9. Mai um einen Senatssitz, den Bürgermeisterposten von Tacloban und einen Sitz als Kongressabgeordnete in Leytes erstem Wahlbezirk.

Wer im Lande ernsthafte Ambitionen auf ein ein hohes politisches Amt hegt, muss über ein beachtliches Wahlkampfbudget verfügen – vorrangig für mittelprächtige Fernsehwerbespots, die pro halbe Sendeminute umgerechnet 16.000 Euro kosten. Für den Marcos-Romualdez-Clan ist das kein Problem. Nach dem Sturz von Marcos vor 30 Jahren bezifferte das Londoner Wirtschaftsmagazin The Economist dessen in kleptokratischer Manier zusammengerafftes Vermögen auf umgerechnet zirka sechs Milliarden US-Dollar. Selbst nach Beschlagnahmung eines Teilvermögens durch den Staat bildet eine solche Summe noch ein komfortables Polster, um Wahlkämpfe zu bestreiten.

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass man als Präsidentschafts- beziehungsweise Vizepräsidentschaftskandidat letztlich nur Chancen hat, wenn man mindestens zwischen zwei und drei Milliarden Peso (zirka 40 bis 60 Millionen Euro) aufwenden kann. Für einen Senatorensitz sind mindestens 400 Millionen Peso nötig. Um Abgeordneter im knapp 300 Mitglieder zählenden Kongress zu werden, sind mindestens 30 Millionen Peso zu berappen, wenn sich ein Kandidat beispielsweise in Manilas Geschäftsdistrikt Makati bewirbt. Im abgelegenen Hinterland können hingegen schon 500.000 Peso ausreichen. Das sind Zahlen, die kürzlich von den beiden Politikwissenschaftlern Temario C. Rivera und Bobby M. Tuazon vom Center for People Empowerment in Governance an der staatlichen Universität der Philippinen bestätigt wurden. Nach ihren Recherchen soll der frühere Senatspräsident und Immobilientycoon Manuel »Manny« Villar junior 3,2 Milliarden Peso für seinen – letztlich erfolglosen – Präsidentschaftswahlkampf vor sechs Jahren ausgegeben haben.

Wahlprogramme spielen bei alledem keine oder allenfalls eine untergeordnete Rolle. Gefragt sind vielmehr die Rückendeckung durch eine der landesweit etwa 250 bis 300 politischen Familiendynastien und ein engmaschiges klientelistisches Netzwerk. Im Falle eines Sieges ist der Kandidat zu unbedingtem Dank verpflichtet – in Form der Rückzahlung von Geldern, der Vorzugsbehandlung bei geschäftlichen Unternehmungen oder dem Gewähren von Sonderkonzessionen.

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