McCarthy lässt grüßen oder Die Wurzeln des Red-Tagging* – Dr. Michael L. Tan

Im Zweiten Weltkrieg kam es zu einem zeitweiligen Zweckbündnis zwischen den Alliierten (den USA und einigen westeuropäischen Ländern) und der Sowjetunion gegen die Achsenmächte (Deutschland, Italien und Japan), aber nach dem Krieg verschärfte sich die Rivalität zwischen den USA und der Sowjetunion. Der Sieg der Kommunisten in China 1949 und der Koreakrieg von 1950 bis 1953 schürten die antikommunistische Paranoia und eine neue „rote Angst“.

Im US-Kongress wurde ein Ausschuss für un-amerikanische Umtriebe (Committee on Un-American Activities) gebildet, dessen lautstärkster Vertreter Senator Joseph McCarthy war, der mit Unterstützung des Federal Bureau of Investigation (FBI) eine „Hexenjagd“ gegen sogenannte Kommunisten entfesselte, die sich vor allem gegen Schriftsteller, Schauspieler, Akademiker, Wissenschaftler und Politiker richtete.

Anzeichen dafür, ein Kommunist zu sein, waren oft willkürlich, einschließlich der Unterstützung für die öffentliche Gesundheit, Impfungen und psychische Gesundheitsfürsorge, sogar Fluoridierung der Wasserversorgung – allesamt Anzeichen für zu viel staatliche Intervention, was automatisch mit Sozialismus und Kommunismus gleichgesetzt wurde. Ein dritter „roter Schrecken“ entstand während der Trump-Präsidentschaft: Jeder, der liberalere Ideen als Trump hatte, wurde als Sozialist oder Kommunist diffamiert. Angesichts von Trumps ultra-rechten Ansichten bedeutete dies, dass nunmehr viel mehr „Kommunisten“ markiert wurden.

Zurück in die 1950er Jahre: Loyalitätsprüfungen wurden in US-Regierungsbehörden üblich und mindestens 3.000 Bundesangestellte wurden wegen vermuteter kommunistischer Sympathien entlassen. Verdächtige wurden Opfer perfiden Rufmords, am häufigsten wurden sie als Homosexuelle oder sexuell Perverse abgestempelt. In einer Zeit, in der Homosexuelle stark stigmatisiert waren, führten die Anschuldigungen zu mehreren Selbstmorden unter den Opfern.

Die Bösartigkeit des McCarthyismus (und seine Angriffe auf Hollywood-Persönlichkeiten) ließen ihn schließlich die öffentliche Unterstützung verlieren. Außerdem fällte der Oberste Gerichtshof der USA unter Richter Earl Warren gegen Ende der 1950er Jahre mehrere Entscheidungen, die es für illegal erklärten, jemanden angeblich nur wegen seiner Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei zu feuern.

In den 1960er Jahren schien der McCarthyismus tot zu sein, aber es stellte sich heraus, dass das FBI sein Programm zur Spionageabwehr weiterführte. Wenn Sie Amazon Prime haben, schauen Sie sich „Seberg“ an, einen Film über die amerikanische Schauspielerin Jean Seberg, die sich als Teil des französischen New Wave-Kinos einen Namen gemacht hatte. In den späten 1970er Jahren begann Seberg, Bürgerrechtsgruppen zu unterstützen, darunter die radikale Black Panther Party. Das FBI begann daraufhin, sie zu stalken, ihr Telefon anzuzapfen und Rufmord zu betreiben, einschließlich falscher Behauptungen, sie sei mit dem Kind eines Black-Panther-Mitglieds schwanger. 1979 beging Seberg Selbstmord.

Nach der Verabschiedung des Freedom of Information Act konnten amerikanische Bürgerrechtler viele Dokumente erhalten, die das Ausmaß des sogenannten Spionageabwehrprogramms des FBI aufdeckten. Und die Philippinen?

Wir benutzten das amerikanische Drehbuch (auf Philippinisch „sirang plaka“ oder gebrochene Schallplatte) und gründeten 1949 unser eigenes Komitee für un-philippinische Aktivitäten (CUFA), das gegen die Kommunistische Partei der Philippinen und die Hukbo ng Bayan Laban sa Hapon (Hukbalahap – Antijapanische Volksarmee, später umbenannt in Volksbefreiungsarmee – RW)) und sogenannte Sympathisanten vorging, was damals jeden bedeutete, der gegen die amerikanische Politik wie die Aufrechterhaltung von Militärbasen im Lande war. Prominentestes Opfer der philippinischen Version des McCarthyismus war Senator Claro M. Recto.

Die CUFA wurde in CAFA umbenannt und fuhr mit ihren Aktivitäten fort, indem sie 1961 Professoren der University of the Philippines (UP) als Kommunisten bezeichnete. UP-Studenten, angeführt von Reynato Puno und Heherson Alvarez, protestierten dagegen. Im weiteren Verlauf der 1960er Jahre kam es zu weiteren Unruhen, einer neuen kommunistischen Partei (CPP), der New People’s Army (NPA), gefolgt vom Kriegsrecht, in dessen Folge die CPP und die NPA noch mehr Anhänger gewannen. Der kommunistische Aufstand ist der längste in Asien und dauert nun schon mehr als 50 Jahre an.

Das „Red-Tagging“ geht weiter, jetzt noch bösartiger in der Nutzung der sozialen Medien, und bringt Leben akut in Gefahr, da unser Militär und die Polizei straffrei bleiben, weil sie „Rot“ als Berechtigung auffassen, die Hände stets am Abzug zu haben.

Was macht einen Kommunisten heutzutage in den Philippinen aus?

Man fühlt sich an eine Gewissenserklärung erinnert, die 1950 von sieben republikanischen Senatoren in den USA als Reaktion auf den McCarthyismus herausgegeben wurde. Diese Erklärung bekräftigte das Recht, unpopuläre Überzeugungen zu vertreten, das Recht zu protestieren, das Recht auf unabhängige Gedanken. Eine perfekte Steilvorlage für die Menschen, die in diesen Tagen „red-tagged“ sind oder werden – und für jeden, der sich darum kümmert, dass den Armen geholfen wird.

* Veröffentlicht am 12. Mai 2012 in der in Manila erscheinenden Tageszeitung Philippine Daily Inquirer / mtan@inquirer.com.ph

Dr. Michael L. Tan ist Veterinärmediziner, Sozialanthropologe und Verfasser der vielbeachteten Kolumne Pinoy Kasi (was so viel heißt wie „Weil ich halt Filipino bin“) der Tageszeitung Philippine Daily Inquirer. Er war landesweit einer der Hauptinitiatoren eines gemeindebasierten Gesundheitsprogramms sowie Dekan des College of Social Sciences and Philosophy der University of the Philippines in Diliman, bevor er von 2014 bis 2020 als deren Kanzler fungierte. (RW)