Rainer Werning- Menschenrechte in den Philippinen: Klares Signal aus Brüssel
Ein Gastbeitrag von Dr. Rainer Werning
Das Internationale Volkstribunal (International People’s Tribunal – kurz: IPT) hat am 18. Mai Präsident Ferdinand Marcos Jr., Ex-Präsident Rodrigo R. Duterte, die Regierung der Republik der Philippinen und die US-Regierung unter Präsident Joseph R. Biden wegen Kriegsverbrechen gegen das philippinische Volk und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht für schuldig befunden. Der Schuldspruch wurde von etwa 300 Beobachtern in Brüssel begrüßt, die während der zweitägigen Verhandlung des IPT die Forderungen von Sachverständigen, direkten Opfern und Familienangehörigen verstorbener Opfer der von den USA massiv militärisch gesteuerten und materiell unterstützten Counterinsurgency (Aufstandsbekämpfung) gemäß dem entsprechenden U.S. Government Guide 2009 in den Philippinen hörten.
Die frühen Anfänge des IPT reichen zurück in die 1960er Jahre, als die Bertrand Russell-Tribunale zu Vietnam (1966-67) und den Militärdiktaturen in Lateinamerika (1974-1976) tagten. Benannt wurden sie nach dem international renommierten Mathematiker und Philosophen Bertrand Russell, der 1950 für sein Werk „Formen der Macht“ den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte. Wenngleich die entsprechenden Urteile international Resonanz erfahren und geachtet sind, besteht kein juristisches Instrumentarium, sie rechtskräftig werden zu lassen bzw. auch de facto durchzusetzen.
Seit der Jahreswende 1968/69 führt in dem südostasiatischen Inselstaat die von der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) befehligte Guerillaorganisation in Gestalt der Neuen Volksarmee (NPA) Krieg gegen die Zentralregierung in Manila. Und jede seitdem amtierende philippinische Regierung hatte erklärt, diesen Krieg endgültig für sich zu entscheiden und den Rebellen das Rückgrat zu brechen. Das allerdings ist bis heute nicht geschehen, so dass die Philippinen das einzige Land in der Region sind, in dem noch immer ein „kommunistischer Aufruhr“ herrscht.
In seinem 10-seitigen Verdikt, das am 18. Mai von der internationalen Jury unter Leitung von Prof. Lennox Hinds, u.a. ehemaliger Rechtsberater von Nelson Mandela, unterzeichnet wurde, konstatierte das Tribunal in der belgischen Hauptstadt
„einen stetigen Anstieg der Fälle von Entführung und gewaltsamem Verschwindenlassen, die von Kräften der Regierung der Republik der Philippinen gegen Aktivisten begangen wurden“.
Unter den zahlreichen Zeugen, die in Brüssel entweder persönlich erschienen waren oder in den Philippinen ihre Aussagen per Videobotschaft übermittelten, befand sich auch Jonila Castro. Die junge Frau ist Umweltaktivistin und Mitglied von AKAP KA Manila Bay Kalikasan People’s Network for the Environment. Für diese Organisation ist sie mitverantwortlich für Kampagnen zur Verteidigung der Umwelt und der Rechte marginalisierter Gemeinschaften, die von Landraub, Bergbauprojekten sie Megastaudämme betroffen sind. Sie berichtete über die Brutalität der staatlichen philippinischen Sicherheitskräfte und wie sie zusammen mit ihrer Kollegin Jhed Tamano im vergangenen Jahr 17 Tage lang vom Militär entführt und psychologisch gefoltert worden war. Als sie während einer vom Militär anberaumten Pressekonferenz als „übergelaufene Rebellin“ quasi als „Trophäe“ präsentiert werden sollte, besaß sie den Mut, dies vor laufenden Kameras zu dementieren und erklärte, vielmehr vom Militär entführt worden zu sein!
Vernichtendes Verdikt auf ganzer Linie
„Die vorgelegten Beweise waren glaubwürdig und stimmig“
erklärte der vorsitzende Richter Hinds während der Urteilsverkündung, da die Zeugen berichteten, dass sie in den Philippinen nicht in der Lage waren, Gerechtigkeit zu erlangen, weil die Regierung der Republik der Philippinen Gerichtsverfahren vernachlässigte oder die Regierungsbehörden selbst sie schikanierten und einschüchterten.
In Bezug auf Kombattanten der Neuen Volksarmee (NPA) und die Hinrichtung von Hors de Combat (letztlich Nicht-Kombattanten bzw. kampfunfähige Personen) wurde in dem Urteil konstatiert, dass das philippinische Militär wiederholt gegen die Kriegsregeln der Genfer Konvention verstößt, wobei die jüngsten Fälle dieser Art aus der zentralphilippinischen Visaya-Inselgruppe gemeldet wurden.
Bis heute sind die Philippinen einer der gefährlichsten Orte für Umweltaktivisten, investigative Journalisten und Menschenrechtsverteidiger. Gegen sie und andere von der Regierung in Manila als missliebig eingestufte Kritiker und Gegner geht das Regime unerbittlich vor. Dabei stützt es sich u.a. auf den „Anti Terror Act“ aus dem Jahre 2020 und die berüchtigte Nationale Taskforce zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (NTF-ELCAC). Demnach werden Kritiker und Gegner des Regimes allesamt und unterschiedslos „red-tagging“ ausgesetzt – d.h. sie werden öffentlich als „kommunistisch“, „subversiv“ und/oder „terroristisch“ gebrandmarkt und gelten letztlich als „Freiwild zum Abschuss“!
Man darf gespannt sein, ob der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Ermittlungen gegen Ex-Präsident Duterte forciert, dem von philippinischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen immerhin vorgeworfen wird, für den Tod von bis zu 30.000 Menschen infolge seines drakonischen „Antidrogen-Krieges“ verantwortlich zu sein. Und es ist Dutertes Nachfolger, der seit zwei Jahren amtierende Ferdinand E. Marcos Jr., der sich in seinem landesweiten Kampf gegen alle/s Linke/n auf eben die verbrecherische Logistik und staatsterroristische Infrastruktur Dutertes stützt.
Unser Autor ist Politikwissenschaftler & Publizist mit den Schwerpunkten Ost- und Südostasien. Im Verlag Neuer Weg erschien von ihm zuletzt gemeinsam mit José Maria Sison das Buch: Ein Leben im Widerstand – Gespräche über Imperialismus, Sozialismus und Befreiung. Oktober 2019