Junge Welt – Rainer Werning – Tiefe Tragik

11.05.2016 / Ansichten / Seite 8

Präsidentschaftswahl in den Philippinen

Von Rainer Werning

Der 71jährige Rodrigo Duterte ist am Ziel seiner kühnsten Träume. Wenn nichts Außerirdisches auf diesen politischen Alien einwirkt, wird der noch amtierende Bürgermeister von Davao City, mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern die größte Stadt im Süden der Philippinen, am 30. Juni als 16. Präsident in die Annalen des Landes eingehen.

Kein Präsident vor ihm hat während eines Wahlkampfs politisch dermaßen polarisiert wie Duterte. Für seine überregionale und klassenübergreifende Fangemeinde ist der von ihr als »Rody« oder »Digong« verehrte, selbsterklärte Macho der langersehnte Messias. Nur ihm, der sich gern mit Pistole, Besen oder Maschinengewehr als strammer »Law and Order«-Mann präsentiert, traut man zu, endlich Front gegen das verhasste Zentrum, die Hauptstadt Manila, mit seinen verruchten »Trapos« – wie die herrschende Elite genannt wird – zu machen. »Trapos«, was im Spanischen »Fetzen« oder »Putzlappen« bedeutet, sind für »Digong« das inkarnierte Unheil schlechthin – die Architekten aller politischen, sozia­len und wirtschaftlichen Übel der am 4. Juli ihren 70. Jahrestag begehenden Republika ng Pilipinas.

Die sechsjährige Amtszeit des bisherigen Präsidenten Benigno Aquino war trotz hoher Wachstumsraten geprägt von gigantischer Korruption, skrupelloser Patronage­politik, Zynismus schürender Rhetorik, ausufernder Armut und einer letztlich rundum gescheiterten Friedenspolitik gegenüber den Moro-Rebellen im Süden und dem bewaffneten kommunistischen Widerstand und seinem Untergrundbündnis in Gestalt der Nationalen Demokratischen Front (NDFP).

Für die vitale Zivilgesellschaft, die engagierten Bürger- und Menschenrechtsgruppen sowie für kritische Geister im akademischen, medialen und kirchlichen Bereich ist »Digong« ein Soziopath mit hoher krimineller Energie. Wer allein seine Interviews und Stellungnahmen während der vergangenen zehn Monate aufmerksam verfolgte, musste den Eindruck gewinnen, dass da ein manisch-repressiver Killer unter dem Banner der Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung im Trüben fischt.

Gleichzeitig ist Duterte ein Chamäleon par excellence. Gestern kann er Mitglieder der NDFP hofiert haben. Heute macht er Front gegen den »chinesischen Expansionismus« im Südchinesischen Meer. Um morgen die Kirchen im Lande zu umgarnen, wenngleich er das Oberhaupt der mächtigen römisch-katholischen Kirche im vergangenen Jahr als »Hurensohn« beschimpfte.

Die tiefe Tragik philippinischer Politik liegt darin begründet, dass drei Jahrzehnte nach dem Sturz des Marcos-Regimes 1986 überhaupt Leute wie Duterte und sein Vizeaspirant Ferdinand Marcos junior zur Wahl antreten konnten. Nun rächt es sich, dass unter anderem die junge philippinische Generation mit Schulbüchern traktiert wurde, die das Vergessen schüren und anstelle von Aufklärung eine apologetische Verklärung der Vergangenheit betreiben.

 

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