Junge Welt – Rainer Werning – Mit dem Olivenzweig wedeln

Tageszeitung junge Welt / Berlin

Gegründet 1947 – Dienstag, 14. März 2017, Nr. 62

Ausgabe vom 14.03.2017, Seite 7 / Ausland

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Mit dem Olivenzweig wedeln

Präsident Duterte lässt wieder Friedensverhandlungen führen – bis zum Wochenende herrschte noch ein »totaler Krieg« gegen die radikale Linke

 

Von Rainer Werning

 

Gegen Militäraktionen: Demonstranten fordern am 10. März in Manila das Ende der Gewalt gegen Bauern im Rahmen des Aufstandsbekämpfungsplans »Operation Freiheit« der Regierung

Foto: Aaron Favila/AP/dpa

 

Impulsivität ist die vornehme Umschreibung eines Regierungsstils des

philippinischen Präsidenten Rodrigo R. Duterte, den er in seiner knapp

neunmonatigen Amtszeit mehrfach unter Beweis gestellt hat. Mit Blick auf

ein in der Bevölkerung erwartetes Friedensabkommen zwischen der Regierung in Manila und dem linken Untergrundbündnis der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) hat Duterte eine erstaunliche Kehrtwende vollzogen.

Fernab der Scheinwerfer trafen sich die Emissäre beider Seiten am Freitag und Samstag vergangener Woche in der niederländischen Stadt Utrecht zu informellen Gesprächen und verabschiedeten eine »Gemeinsame Erklärung«. Haupttenor dieses von den Chefunterhändlern beider Seiten, Silvestre H. Bello III. für die Regierung und Fidel V. Agcaoili für die NDFP, unterzeichneten Dokuments ist die Fortführung der Friedensverhandlungen unter der Schirmherrschaft des norwegischen Außenministeriums. In Oslo, so heißt es in der Erklärung vom 11. März, werden die bilateralen Gespräche in der ersten Aprilwoche offiziell fortgesetzt. Das wäre die vierte offizielle Verhandlungsrunde, nachdem seit Sommer vergangenen Jahres bereits drei in Oslo und Rom

stattgefunden haben. Im April soll vorrangig ein beidseitiges

Waffenstillstandsabkommen ausgehandelt werden.

 

Zur neuerlichen Konfrontation zwischen beiden Lagern war es gekommen, als Jorge Madlos alias »Ka Oris« (Genosse Oris), Sprecher der NDFP auf Mindanao und des Nationalen Operationskommandos der Neuen Volksarmee (NPA), der Guerillaorganisation der NDFP, Anfang Februar erklärt hatte, die seit Ende August einseitig ausgerufene Feuerpause ab dem 10. Februar nicht länger einzuhalten. Als Hauptgründe nannte er anhaltende Aktionen der Streitkräfte und paramilitärischer Verbände gegen die Zivilbevölkerung sowie gezielte Provokationen gegen NPA-Einheiten. Außerdem kritisierte Madlos, dass der Präsident entgegen früheren Zusagen die noch etwa 400 eingesperrten politischen Gefangenen nicht freigelassen habe.

 

Präsident Duterte reagierte umgehend. Am 3. Februar kündigte er seinerseits das von der Regierung ausgerufene einseitige Waffenstillstandsabkommen auf und wies tags darauf seinen Generalstabschef Eduardo Año und Verteidigungsminister Delfin Lorenzana an, gegen die NPA einen »totalen Krieg« zu führen. Im Gegenzug warf die NDFP der Regierung vor, im Rahmen ihres seit Januar gültigen Aufstandsbekämpfungsplans »Operation Freiheit« die Bombardierung und Vertreibung von tausend Familien allein in der Provinz Davao Oriental und Umgebung billigend in Kauf genommen zu haben.

 

Noch am vergangenen Donnerstag erteilte Duterte den Streitkräften und

der Nationalpolizei den Befehl, einen Bombenkrieg gegen die NPA zu entfachen und dabei selbst »Hügel zu plätten«, um die »Terroristen« wirksam zu bekämpfen. Im Gegenzug bezeichnete die NDFP die Angehörigen der Streitkräfte als »faschistische Hunde« und warf dem Präsidenten vor,

»Kollateralschäden« zu dulden.

 

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen und Kirchenvertreter haben die

Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen vorbehaltlos begrüßt. Bislang

ist indes zu konstatieren, dass solche Verhandlungen – ja, selbst unterzeichnete Friedensabkommen zwischen der Regierung und den beiden muslimischen Widerstandsorganisationen im Süden des Landes, der Moro Nationalen Befreiungsfront (MNLF) sowie der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) – brüchig blieben. Je euphorischer die anfängliche Stimmung war, desto schneller musste die Zivilbevölkerung in Deckung gehen, um sich vor erneut aufgeflammten Kämpfen zu schützen. #