Skandalurteil des Obersten Gerichtshofes (SC) der Philippinen vom 30. März 2023

Heidelberg, Deutsch-Philippininische Freunde e.V. (Korrespondenz): am 5. April 2023 berichtet das fortschrittliche online-Magazin Bulatlat über ein extrem frauenfeindliches Urteil des SC, das nach seiner Veröffentlichung umgehend auf große Empörung beim philippinischen Frauendachverband Gabriela stößt. Sie bezeichnet es als ein Urteil für Vergewaltiger, nicht für die Opfer. Um was geht es? Am 30. März veröffentlichte der Oberste Gerichtshof seine Entscheidung, mit der er die Verurteilung eines gewissen Efren Agao wegen Vergewaltigung im Amt bestätigte. Er stellte auch klar, wann eine Vergewaltigung durch Penetration als Verbrechen gilt. Es entschied, dass die „bloße Einführung, wie geringfügig auch immer, in die Spalte der großen Schamlippen durch einen Penis, der zur Penetration fähig ist, unabhängig davon, ob eine solche Penetration danach vollständig erreicht wird, das Verbrechen der Vergewaltigung vollendet.“…. Es wurde klargestellt, dass „die ‚bloße Berührung‘ des Penis an den großen Schamlippen rechtlich gesehen nicht die bloße Berührung der Oberfläche oder des Hautkontakts, sondern die geringfügigste Penetration der Vulva oder der Schamlippen, wie geringfügig auch immer, umfasst.“ Gabriela-Generalsekretärin Clarice Palce kritisierte das Urteil: „Die Würde einer Frau ruht nicht auf einer Vagina. Durch die Schaffung von Abstufungen zwischen ‚Vergewaltigung‘ und ‚versuchter Vergewaltigung‘ aufgrund von anatomischen Schwellenwerten reduziert der Oberste Gerichtshof die Würde der Frau auf unsere Körperteile. Er vergisst, dass es keine Rolle spielt, ob eine Frau zur vaginalen Penetration, zum Oralverkehr oder zur Penetration mit fremden Gegenständen gezwungen wird, Hauptsache, diese Handlungen stellen eine schwere Verletzung der Würde der Frau dar. Vergewaltigung ist Vergewaltigung. Vergewaltigung ist Demütigung. Vergewaltigung ist eine Verletzung der Menschlichkeit, ganz gleich welcher Art und welchen Ausmaßes„, fuhr sie fort.

Palace sagte auch, dass eine rein anatomische Argumentation aus technischen Gründen eine Gefahr für Vergewaltigungsopfer darstelle. Es gibt viele Frauen, die keine Vagina besitzen, wie z. B. Transgender-Frauen, Frauen mit unterentwickelten Genitalien, intersexuelle Frauen und viele andere, die mit der Realität sexueller Gewalt konfrontiert sind, aber nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs eindeutig nicht als Vergewaltigungsopfer gelten würden. Sie erinnerte den Obersten Rat auch daran, dass Vergewaltigungsopfer in den Philippinen nur schwer den Mut aufbringen, ihre Stimme zu erheben und Gerechtigkeit zu suchen. „… Frauen müssen nun zusätzlich beweisen, dass ihr Vergewaltiger in ihre inneren Schamlippen eingedrungen ist, damit das Gericht dies als Vergewaltigung einstuft. …. Wir zweifeln nicht daran, dass nach dieser Entscheidung noch mehr Vergewaltigungsopfer zum Schweigen gezwungen sein werden. Einfach und offen formuliert, ist dies ein Urteil, das nur Täter begünstigt, nicht aber Vergewaltigungsopfer“, sagte sie. Für den stellvertretenden Richter Marvic Leonen spielt das Urteil des Obersten Gerichtshofs das Verbrechen der Vergewaltigung herunter: „…. macht die schmutzige Verletzung der Würde des Opfers unsichtbar… die Vergewaltigung in Stufen zu bestrafen, missachtet die Erfahrungen der Vergewaltigungsopfer, ihr Trauma und die Verletzung ihrer Würde, die das Gesetz bestraft…. Jede Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung. Alle Vergewaltigungen verletzen die Würde des Opfers. Die Feinheiten der Teile der Vagina, die von einem Penis berührt werden, sind irrelevant….Es ist leider nicht über die Vergewaltigung als Schutz der ritterlichen männlichen Rolle und des Status gegenüber der Frau hinausgegangen.. Leonen geht auch den weltanschaulichen Hintergrund, eine patriarchalisch-chauvinistische Denkweise ein: .(das Urteil) …wird einmal mehr die Art von Männlichkeit lizenzieren, die Frauen zu Sexualobjekten herabgesetzt hat, deren Wert auf ihre Vagina und das Vergnügen, das Männer aus ihnen herausholen, reduziert wird…Ich dränge darauf, diese weitere Objektivierung von Frauen zu überdenken. Wir müssen um unserer Frauen, unserer Töchter und unserer Enkelinnen willen umdenken.“