Beredtes Schweigen – Hillary Clinton in Manila

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Beredtes Schweigen in Manila

Während ihres Philippinenbesuchs waren für US-Außenministerin Hillary R. Clinton Menschenrechte kein Thema – im Vordergrund stand vielmehr die militärische Kooperation.

Von Rainer Werning

Die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo wusste am 15. November 2009 nicht, worüber sie sich mehr freuen sollte – ob über den just errungenen Sieg ihres Landmanns und frisch gekürten Boxweltmeisters im Weltergewicht, Manny „Pacman“ Pacquiao, in Las Vegas oder über den Besuch von US-Außenministerin Hillary R. Clinton am 12. und 13. November. Während der quirlige „Pacman“ seinem Herausforderer Miguel Cotto aus Puerto Rico harte Schläge verpasste, brauchte Frau Arroyo nicht einmal Deckung suchen. Im Vorfeld ihres Besuchs hatten philippinische Bürgerrechtsbewegungen und internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International Frau Clinton aufgefordert, das Thema Menschenrechte ganz oben auf ihrer Agenda in Manila zu platzieren. Doch nichts dergleichen geschah. Wichtiger waren in ihrer Sicht fortgesetzt enge militärische Beziehungen beider Länder im „Kampf gegen den Terror“. Ein Tiefschlag für die zahlreichen Opfer des „Antiterror-Feldzuges“ der Regierung Arroyo.

Während einer Großveranstaltung in der vom Dominikanerorden gemanagten Universität Santo Tomas im Herzen von Manila brachte Frau Clinton ihre Sicht der Menschenrechte auf den Punkt. Die Philippinen und die USA, so die Außenministerin, hätten da gleichermaßen Probleme, die es gemeinsam zu lösen gelte. „Wir sind da keineswegs perfekt. Doch wir werden fortfahren, diesbezüglich Fragen zu stellen“, so Clinton wörtlich, „und wie es sich nun mal zwischen Freunden geziemt, werden wir auch damit fortfahren, entsprechend Hilfestellung zu leisten“. Die versammelten StudentInnen ermutigte sie, stets und überall wachsam zu sein und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft für verbesserte Menschenrechtsbedingungen zu streiten. Dieselbe Message trug Frau Clinton auch gegenüber ihrer Gastgeberin und ihrem philippinischen Amtskollegen Alberto Romulo vor. Diese trugen’s gelassen – zum Verdruss kirchlicher und säkularer Menschenrechtsgruppen im Lande, die wenigstens einen kritischen Zungenschlag des Gastes erwartet hatten.

Im Vorfeld der Clinton-Visite betonten die Mainstream-Medien in den Philippinen sowie in den USA, es gehe der Außenministerin als traditionell enge Verbündete Manilas darum, sich ein Bild von den Verwüstungen zu machen, die mehrere Taifune in den vergangenen Wochen angerichtet hatten, und sich um Hilfe für die Leidtragenden zu kümmern. Das klang zwar gut, stand aber nicht im Mittelpunkt des Besuchs. Die eigentliche Agenda rankte sich wie im Falle der wenige Wochen zuvor erfolgten Besuche von US-Verteidigungsminister Robert Gates und CIA-Direktor Leon Panetta um die Frage, wie mit dem seit genau zehn Jahren bestehenden Visiting Forces Agreement (VFA) umzugehen sei. Das seit Sommer 1999 bestehende VFA ersetzte das Jahrzehnte lang bestandene Militärbasenabkommen, das den USA garantiert hatte, die mit Subic Naval Base und Clark Air Field größten außerhalb des nordamerikanischen Kontinents gelegenen Stützpunkte kostengünstig zu unterhalten. KritikerInnen haben stets mokiert, dass das VFA den USA nicht nur gestattet, GIs auf unbestimmte Zeit im Lande stationieren zu können. Diese genießen überdies extraterritoriale Immunität und unterstehen im Falle von Strafverfolgung der US-amerikanischen Militär- und nicht der philippinischen Zivilgerichtsbarkeit. Das VFA bot außerdem die Grundlage dafür, dass seit den Anschlägen vom 11. September 2001 die frühere Kolonie nicht nur offiziell zur „zweiten Front im Kampf gegen den weltweiten Terror“ erklärt wurde. Seit der Zeit haben die USA dauerhaft mehrere Hundertschaften von GIs im Süden der Philippinen stationiert, um ihre philippinischen Kameraden in Counterinsurgency (Aufstandsbekämpfung) zu unterweisen.

Philippinische Militärs schätzen diese Kooperation. Sie verweisen darauf, dass seitdem die Mitgliederzahl der auf der internationalen Terrorliste aufgeführten Abu Sayyaf von zirka 1.000 auf 300-400 Mann reduziert werden konnte.

Mittlerweile liegt im philippinischen Senat ein Resolutionsentwurf vor, der die Terminierung des VFA vorsieht. Ihre Wortführerin, Senatorin Miriam Defensor-Santiago, zeigte sich deshalb wenig erfreut über den Besuch der US-Außenministerin. „Warum kommt Frau Clinton hierher und warum ist die Regierung über ihre Visite so erfreut?“, fragte die Senatorin. Und lieferte flugs selber die Antwort: „Weil Frau Clinton unbedingt will, dass amerikanische Truppen auch weiterhin auf unserem Boden stationiert bleiben“. In diesem Sinne konnte die Außenministerin ihre Visite mit dem Vermerk „mission accomplished“ beenden und zum diesjährigen Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) in Singapur jetten. #