Ampatuan-Clan soll entwaffnet werden

Tageszeitung junge Welt / Berlin

08.12.2009 / Ausland / Seite 6

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Philippinen: Gravierende Armut in Provinz Maguindanao,

über die Kriegsrecht verhängt wurde

Von Rainer Werning

Mit der Proklamation Nr. 1959 verhängte die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo am vergangenen Sonnabend über die südliche Provinz Maguindanao das Kriegsrecht (siehe jW vom 7.12.). Als Grund nannte sie die prekäre Sicherheitslage in der Region, nachdem dort am 23. November ein politisch motiviertes Massaker mindestens 57 Menschen – darunter allein 30 Journalisten – das Leben gekostet hatte. Als Hauptverdächtige gelten Angehörige des mächtigen Ampatuan-Clans, die zeitgleich mit dem Amtsantritt von Arroyo im Jahre 2001 die Provinz als unangefochtene feudale Kriegsherren verwalteten. Als Belohnung für ihre massiven Manipulationen bei der Präsidentschaftswahl 2004 und den

Senatswahlen 2007 zugunsten Arroyos genossen die Ampatuans bis Ende


November einen Status extraterritorialer Immunität mit Manilas Segen.

Das ist passé, seitdem die Präsidentin, in Personalunion auch Oberkommandierende der Streitkräfte, ausgerechnet jetzt ihre engsten politischen Stallgefährten auf der südlichen Insel Mindanao zu erbitterten Staatsfeinden erklärte. Generalmajor Gaudencio Pangilinan, stellvertretender Kommandeur der Armeeoperationen in der Kriegsrechtsregion, erklärte am Wochenende in Manila, man werde alles daransetzen, die etwa 4000 Mann starke, paramilitärisch ausgerüstete Gefolgschaft der Ampatuans zu entwaffnen. »Diese Kräfte«, so der

General, »bedrohen nicht nur die öffentliche Sicherheit in der Provinz

(Maguindanao). Sie sind überdies in der Lage, terroristische Akte wie

Bombardierungen und Brandstiftung zu begehen und Angriffe gegen unsere Konvois zu verüben.« Es sei bereits, so der General, zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Ampatuan-Getreuen und der Armee gekommen. Man habe ein umfangreiches Waffenarsenal auf Grundstücken des Clans gefunden – darunter Munitionsboxen aus Beständen des Verteidigungsministeriums und der Streitkräfte -, das ausreichen würde, um damit zwei Armeebataillone (ca. 1000 Mann) auszurüsten. Außerdem seien noch Unterlagen der Präsidentschaftswahl 2004 und der Senatswahl 2007 in Häusern des Ampatuan-Clans entdeckt worden. Am liebsten, betonte Pangilinan, sähe er das Kriegsrecht bis zu den nächsten Wahlen im Mai 2010 verlängert. So könne das Militär der Bevölkerung demonstrieren, daß

es wirklich für die Durchführung einer fairen und glaubwürdigen Abstimmung bürgt.

Seitdem Andal Ampatuan sen. im Jahre 2001 in Maguindanao zum Gouverneur

avancierte, benannte seine Familie zahlreiche Orte in der Provinz nach ihren Vorfahren und Kindern. In nicht weniger als 16 von 22 Provinzgemeinden haben Ampatuan-Clanmitglieder als Bürgermeister das Sagen. Verwaltung und Justiz wurden nach ihrem Gusto umgestaltet. Wer immer es wagte, diese Vetternwirtschaft zu hinterfragen, wurde rasch von den Ampatuans unterstellten »Sicherheits«kräften und Bodyguards beseitigt. So wohlhabend die weitverzweigte Familie ist, so auffällig

kontrastiert deren Privatvermögen mit der öffentlichen Armut und Rückständigkeit in »ihrer« Provinz. Amtlichen Statistiken ist zu entnehmen, daß dort die Armutsrate von 59,3 Prozent im Jahre 2000 auf 60,4 (2003) anstieg und 2006 62 Prozent betrug. Maguindanao ist gegenwärtig die landesweit zweitärmste Provinz und weist nach dem Philippine Human Development Report von 2005 überdies mit durchschnittlich 52 Jahren auch die zweitniedrigste Lebenserwartung im Lande auf. Die Nationale Wirtschaftsplanungsbehörde klassifiziert 63 Prozent der knapp 720000 Einwohner als arm – 342000 Menschen müssen demnach mit weniger als umgerechnet einem Dollar pro Tag ihr Leben bestreiten. Trotz alledem leisteten sich die Provinzoberen aus staatlichen Zuwendungen und ausländischen Investitionen neue Rathäuser.

Allein der Bau des Kapitolgebäudes in der Hauptstadt Shariff Aguak verschlang nahezu 116 Millionen Peso (umgerechnet etwa 1,66 Millionen Euro) – etwa das Doppelte der ursprünglich auf 60 Millionen Peso angesetzten Kosten. #