Heiße Luft

11.10.2010 / Ausland / Seite 7

Seine ersten 100 Amtstage nutzte der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III zur gefälligen Selbstdarstellung

Rainer Werning
»Sie haben jetzt eine Regierung, die Ihnen zuhört und Ihnen die Wahrheit sagt. Sie haben eine Regierung, die Sie nicht länger mehr ignoriert und täuscht. Vertrauen ist zurückgekehrt, unsere Wirtschaft ist auf Wachstumskurs. Und allen, die in schlechtes Regieren verstrickt waren, versichere ich, daß ihre Tage gezählt sind.« Das war die Kernbotschaft, die ein sichtlich gut gelaunter, von den Meinungsforschungsinstituten Social Weather Station und Pulse Asia mit Bestnoten bedachter Benigno S. Aquino III – im Volksmund kurz »Noynoy« genannt – seiner Anhängerschaft am vergangenen Wochenende anläßlich seiner ersten 100 Tage als 15. Präsident der Republik der Philippinen mit auf den Weg gab.

Worte statt Taten

Für seinen Auftritt hatte Aquino nicht den Präsidentenpalast Malacañang, sondern publicityträchtig das La Consolacion College in Manila gewählt. »Kayo ang boss ko« (»Ihr seid mein Boß«), rief er den Versammelten zu und gelobte wie bereits in früheren Reden, einen bescheidenen Regierungsstil mit seinem politischen Hauptanliegen zu verbinden, die grassierende Korruption im Land und die von seiner Vorgängerin, Gloria Macapagal-Arroyo, exzessiv genährte Vetternwirtschaft mit Stumpf und Stiel auszumerzen. »Wir werden es nicht zulassen«, sagte der Präsident unter großem Beifall des Publikums, »daß nochmals ein Regierungssystem herrscht, in dem Beamte wie Krokodile die Staatskassen plündern. Wenn keine Korruption herrscht, gibt es auch keine Armut.« Gleichzeitig betrieben Aquinos Berater emsig Imagepflege. Die Medien äußerten sich positiv über des Präsidenten erste Auslandsreise zum US-Kollegen Barack Obama. Während seines einwöchigen Amerikabesuchs habe Aquino samt seiner Entourage, so Exekutivsekretär Paquito Ochoa, mit 25 Millionen Peso (ca. 416 000 Euro) nur ein Drittel der Kosten des USA-Staatsbesuchs seiner Vorgängerin Arroyo im Sommer letzten Jahres verwandt.

All das sind nach Ansicht der außerparlamentarischen Opposition im Land lediglich wohlgesetzte Worte, denen bislang keinerlei Taten folgten. So bleibe Expräsidentin Arroyo von jedweder Strafverfolgung verschont, wenngleich ihr zahlreiche Verstrickungen in Großskandale, Korruption und Amtsmißbrauch vorgeworfen werden. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen wie Karapatan, Amnesty International und Human Rights Watch sprechen weiterhin von strukturellen Schwächen des philippinischen Rechtssystems und beklagen, daß die perfide Politik »außergerichtlicher Hinrichtungen« von Systemkritikern ungebrochen fortgesetzt wird. Allein in den ersten 100 Amtstagen Aquinos seien drei Journalisten und 16 fortschrittliche und linke Aktivisten ums Leben gekommen, wobei die Täter unerkannt entkommen konnten. Bedenklicher noch: Die von Expräsidentin Arroyo aus der Taufe gehobene und rigide praktizierte »Aufstandsbekämpfungsstrategie« Oplan Bantay Laya (Operationsplan Freiheitswacht), die blutigste Strategie ihrer Art in der jüngeren Geschichte des Landes, bleibt auch unter Aquino unangetastet.

Stillstand überall

Mitglieder des Rates für Gesundheit und Entwicklung (CHD), eine Nichtregierungsorganisation, die vorrangig Arme und Marginalisierte (immerhin etwa zwei Drittel der philippinischen Bevölkerung) kostenlos medizinisch versorgt, bemängeln, daß die Regierung nur lächerliche 0,66 Peso für den täglichen Gesundheitsdienst pro Einwohner veranschlagt und es zuläßt, daß sich solche Krankheiten wie Dengue-Fieber rasch ausbreiten. Dr. Eleanor Jara, Geschäftsführerin des CHD, spricht in diesem Zusammenhang von einem Skandal. Sie verweist darauf, daß sich die meisten Erkrankten nicht einmal eine Tablette Paracetamol leisten könnten.

Bauernverbände im Lande beklagen schließlich die Untätigkeit des Präsidenten in Sachen Landreform. Wenngleich diese eines der drängendsten sozialpolitischen Probleme des Inselstaates bildet, hat Aquino das Thema bislang mit keinem Wort erwähnt. Er selber ist Teilbesitzer der 6543 Hektar umfassenden Hacienda Luisita, die seinem Clan, den Cojuangcos/Aquinos, gehört und deren Chefs sich bis heute erfolgreich gegen eine Veränderung des Status quo zu stemmen vermochten.

Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2010/10-11/003.php

(c) Junge Welt 2010

http://www.jungewelt.de