Junge Welt/Rainer Werning: Marschmusik in Manila

 

Tageszeitung junge Welt / Berlin

02.05.2014 / Ausland / Seite 7
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Marschmusik in Manila
Philippinen und USA verstärken militärische Kooperation. China und radikale Linke im Visier
Von Rainer Werning
Die letzte Etappe seiner Ost- und Südostasienreise führte US-Präsident
Obama am Montag und Dienstag in die Philippinen, den aufgrund knapp
50jähriger Kolonialherrschaft bis 1946 engsten Verbündeten der Vereinigten
Staaten in der Region. Während der Obama-Visite herrschte landesweit die
höchste Alarmstufe; die Luft- und Seekorridore wurden streng bewacht.
Die Aquino-Regierung begrüßte den Besuch Obamas als verheißungsvolle
Unterstützung der eigenen Sicherheits-, Außen- und Innenpolitik.
Festgeschrieben und dokumentiert ist dies in dem am Montag unterzeichneten
»Abkommen über Erweiterte Verteidigungskooperation«, AEDC. Kritiker – unter
ihnen die Exsenatoren Rene Saguisag und Wigberto Tañada sowie der frühere
Vizepräsident Teofisto Guingona, Jr. – sprechen indes von »einem einseitigen
und intransparenten Deal«, und linke Organisationen wie Bayan befürchten
den »Ausverkauf nationaler Interessen und die unverhohlene Re-
Amerikanisierung«.
Eingebettet ist das AEDC in die von Washington seit Herbst 2011 verkündete
»Pivot to Asia«-Strategie. Demnach gilt die Region künftig als Dreh- und
Angelpunkt US-amerikanischer Militär-, Außen- und Handelspolitik. Deren Ziele
sind in dem Anfang Januar 2012 vom US-Verteidigungsministerium
veröffentlichten Dokument »Sustaining U.S. Global Leadership: Priorities for
21st Century Defense» klar formuliert. Aus Sicht der Vereinigten Staaten ist es
aus sicherheitspolitischen Erwägungen notwendig, die strategisch bedeutsamen
Seewege in Ost- und Südostasien zu kontrollieren und den Transport
gleichermaßen strategischer Ressourcen wie Öl und Gas zu garantieren.
Seit der Unabhängigkeit der Philippinen im Sommer 1946 sind zwischen Manila
und Washington diverse Verträge unterzeichnet worden, die das bilaterale
Verhältnis auf militärischer Ebene einseitig zu Gunsten der USA regelten,
darunter das Militärbasenabkommen (1947), der Gegenseitige
Verteidigungspakt (1951) und die Mitgliedschaft in der als »Manila-Pakt«
bekannten SEATO (1954). Dieses Bündnis war in der philippinischen
Hauptstadt als südostasiatisches Pendant zur NATO als stramm
antikommunistisch ausgerichtetes Projekt aus der Taufe gehoben worden.
Es verpflichtete damals die philippinischen Streitkräfte und andere
Vasallenarmeen, Schulter an Schulter mit ihrem neokolonialen Herren
gegen die Völker Vietnams, Laos’ und Kambodschas zu kämpfen.
Nach dem Ende des Kalten Krieges am 16. September 1991 entschied der
philippinische Senat zwar, bis Ende 1992 die US-Basen im Lande zu schließen.
1999 und 2001 beschloß allerdings die philippinische Regierung ein
Streitkräfteaufenthaltsabkommen und einen Vertrag über gegenseitige
logistische Unterstützung. Das AEDC geht jedoch weit darüber hinaus.
Mindestens zehn Jahre lang können die USA Militäreinrichtungen der
philippinischen Streitkräfte nutzen, ihre Truppenkontingente auf Rotationsbasis
jederzeit aufstocken, in Oyster Bay auf der westlichen Insel Palawan eine neue
Basis errichten und im Land hochmodernes Kriegsmaterial lagern.
Gegenüber China soll signalisiert werden, daß schwelende
Auseinandersetzungen um Besitzansprüche von Inseln im Südchinesichen
Meer (von philippinischer Seite mittlerweile in Westphilippinisches Meer
umbenannt) nicht zu dessen Gunsten entschieden werden. Schließlich soll im
»Kampf gegen den Terror« der Kommunistischen Partei der Philippinen und
ihrer Guerilla in Gestalt der Neuen Volksarmee sowie muslimischen
Widerstandsorganisationen im Süden das Rückgrat gebrochen werden. #