Junge Welt – Rainer Werning – Tod unter Drohnen

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Tageszeitung junge Welt / Berlin
Gegründet 1947
Ausgabe vom 10.02.2015, Seite 6 / Ausland
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Tod unter Drohnen

Bei desaströser Kommandoaktion von philippinischer Polizeieinheit
standen US-Militärs Pate

Von Rainer Werning

Folgen eines US-gestützten Einsatzes: Philippinische Polizisten tragen die Särge ihrer Kollegen
Foto: Romeo Ranoco/Reuters

Mamasapano – dieser Ort auf der philippinischen Insel Mindanao ist seit
dem 25. Januar zum Inbegriff einer nationalen Tragödie geworden. In den
frühen Morgenstunden dieses Sonntags scheiterten Eliteeinheiten der im
Antiterrorkampf gedrillten Special Action Force (SAF) der Philippinischen Nationalpolizei (PNP) bei ihrem Versuch, der seit Jahren international gesuchten »Topterroristen« Zulkifli bin Hir alias Marwan und Abdul Basit Usman habhaft zu werden. Wie die Tageszeitung Philippine Daily Inquirer am Sonntag berichtete, wurden die Einsatzkräfte von Aufklärungsdrohnen der US-Armee unterstützt. Doch die vermeintliche Hilfe wirft nun Fragen auf.

Die Speerspitze der geheimen Kommandoaktion bildete die 84. Kompanie der
SAF. Ihr Auftrag war die »Ausschaltung« von Marwan und Usman, die vor
allem das amerikanische FBI für mehrere Bombenanschläge verantwortlich
macht und auf deren Ergreifung Kopfgelder in Höhe von fünf beziehungsweise einer Million US-Dollar ausgesetzt sind. US-Medien
bezeichnen Marwan als südostasiatisches Pendant zu Osama bin Laden und
sehen in ihm eine Führungsperson der vermeintlich mit Al-Qaida
assoziierten Jema’ah Islamiyah.

Laut Angaben des FBI kam Marwan nach DNA-Analysen zwar ums Leben. Doch das Kommandounternehmen endete in einem Fiasko. Laut Regierungsangaben wurden 44 SAF-Mitglieder getötet – die in dem Gebiet agierenden Einheiten der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) sprechen indes von 64 geborgenen Leichen von Angehörigen der Eliteeinheit. Usman konnte entkommen und ist bis heute auf freiem Fuß. Noch nie zuvor hatte die 1983 gegründete SAF so viele Todesopfer zu beklagen.

Alles deutet darauf hin, dass Präsident Benigno S. Aquino III. und sein
am Wochenende geschasster Chef der Nationalpolizei, Alan Purisima,
grünes Licht für die Kommandoaktion in Mamasapano gegeben hatten.
Purisima war mit der eigentlichen Planung und Durchführung des Einsatzes
betraut. Die »Operation Exodus« erfolgte in enger Konsultation mit vor Ort stationierten US-Beratern, mit denen das philippinische Militär und die Elitepolizeieinheiten im Rahmen der Joint Special Operations Task
Force-Philippines (JSOT-P) kooperieren.

Mit der Kommandoaktion sollte so auch die enge philippinisch-amerikanische Zusammenarbeit gemäß dem seit Ende April 2014 gültigen »Abkommen zur erweiterten Verteidigungskooperation« demonstriert werden. Dieses gewährt US-Militärpersonal jederzeit Zutritt und Nutzungsrechte in sämtlichen Einrichtungen der Streitkräfte der Philippinen (AFP). Das betrifft in erster Linie das Camp Basilio Navarro und die Edwin Andrews Air Base der Luftwaffe in Zamboanga City im Südwestzipel der Insel Mindanao. Dort befindet sich gleichzeitig auch das Western Mindanao Command der philippinischen Streitkräfte, wo ein Großteil der etwa 600 ständig in den Philippinen stationierten US-Militärs untergebracht ist.

Zamboanga gilt seit 2002 als eine Art Frontstadt in Washingtons
Antiterrorkampf. Von dort aus, so berichtete nun der Philippine Daily
Inquirer, waren auch die Drohnen gestartet, die Marwan ausspähten. Die
gewonnenen Erkenntnisse sollen die US-Militärs aber lediglich mit einem
kleinen Kreis philippinischer Politiker und Generäle geteilt haben. Auch die 84. SAF-Kompanie war am 25. Januar im Visier der Drohnen. Ihr gelang es dem Bericht zufolge, einen Finger des getöteten Marwan abzutrennen, um DNA-Proben zu sichern. Das hatte Priorität, die anderen an dem Einsatz beteiligten Polizisten wurden offensichtlich weitestgehend sich selbst überlassen. Die Folgen sind bekannt. Darüber, ob der Tod der Polizisten von den US-Militärs billigend in Kauf genommen wurde, wird in den Philippinen nun diskutiert. #