Schwerer Rückschlag im Friedensprozess

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Tageszeitung junge Welt / Berlin

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Mittwoch, 28. Januar 2015, Nr. 23

28.01.2015 / Ausland / Seite 7

Schwerer Rückschlag im Friedensprozess

64 Polizisten einer Eliteeinheit bei Gefecht im Süden der Philippinen getötet

Von Rainer Werning

Philippinische Soldaten am Dienstag an einem Kontrollpunkt auf der Insel Mindanao

Foto: Froilan Gallardo/Reuters

Bei Gefechten mit Rebellen sind am Sonntag auf der Insel Mindanao im Süden der Philippinen mindestens 64 Polizisten eines Eliteverbands zur Terrorismusbekämpfung getötet worden. Lokalen Medienberichten zufolge war die Einheit der Special Action Force (SAF) Teil eines Sondereinsatzkommandos zur Ergreifung der seit Jahren wegen mehrerer Bombenanschläge steckbrieflich gesuchten Abdul Basit Usman und Zulkifli bin Hir alias Marwan.

 

Usman wird mit der Abu Sayyaf und den Bangsamoro Islamischen Freiheitskämpfern (BIFF) in Verbindung gebracht, die Manila und Washington als terroristisch einstufen. Der Malaysier Marwan, ein Sprengstoffexperte, gilt indes als Mitglied der Jemaah Islamiyah, des mutmaßlichen südostasiatischen Ablegers von Al-Qaida. Das FBI hatte auf Marwan ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar und auf Usman eines von einer Million ausgesetzt.

Die ganztägige SAF-Operation erfolgte nun in einem Gebiet, dessen Kontrolle gleichermaßen von den BIFF wie von Einheiten der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) beansprucht wird. Letztere hat nach über 17jährigen Verhandlungen am 27. März vergangenen Jahres mit der Regierung in Manila einen Friedensvertrag unterzeichnet. Dieses »Umfassende Abkommen über die Schaffung der Region Bangsamoro« sieht vor, dass der philippinische Kongress und der Senat ein von einer 15köpfigen Bangsamoro-Übergangskommission ausgearbeitetes Grundgesetz ratifizieren. Danach soll in einer Volksabstimmung darüber entschieden werden. Im Zuge der im Frühjahr 2016 anstehenden Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Kongresswahlen soll als Schlusspunkt des Friedensprozesses eine Bangsamoro-Regierung gewählt werden. Bis dahin will sich die MILF als politische Partei konstituiert und ihre militärischen Einheiten in eine neue Bangsamoro-Polizei umgewandelt haben.

 

Dieser Plan, der im März 2014 national wie international als

»vorbildlicher Beitrag zur Friedenssicherung« gepriesen wurde, ist seit

dem Gefecht vom Sonntag heftig in die Kritik geraten. Anhörungen über das Bangsamoro-Grundgesetz sind sowohl im Kongress als auch im Senat ausgesetzt worden. Möglicherweise werden die Gegner des Gesetzes die Chance nutzen, seine Verfassungsmäßigkeit durch den Obersten Gerichtshof des Landes überprüfen zu lassen.

 

Derweil spricht Innenminister Manuel Roxas von einem in »Uneinigkeit« durchgeführten »legitimen Einsatz«. Die MILF-Führung wirft der Regierungsseite indes vor, sich nicht an vertraglich ausgehandelte Absprachen im Falle solcher Operationen wie am Sonntag gehalten zu haben. Mohagher Iqbal, MILF-Verhandlungsführer bei den Friedensgesprächen, erklärte: »Es gab keine Koordination. Die Einheiten der SAF eröffneten das Feuer in einem Gebiet, wo nicht nur die BIFF, sondern auch unsere eigenen Verbände operieren. Unsere Einheiten waren gezwungen, sich in Notwehr zu verteidigen.« Der BIFF-Sprecher Abu Misry Mama sprach von einem außer Kontrolle geratenen Schusswechsel, als SAF-Einheiten ein Haus stürmten, das sie irrtümlich für den Zufluchtsort des gesuchten Usman hielten. Gleichzeitig hieß es aus Kreisen der in dem Gebiet zuständigen 6. Infanteriedivision der Armee, dass weder ihre Truppen noch Einheiten der Provinzpolizei in Maguindanao in die sonntägliche SAF-Aktion eingeweiht gewesen seien.

 

Dennoch halten Iqbal wie auch die Verhandlungsführerin der Regierung, Miriam Coronel-Ferrer, daran fest, den Friedensvertrag mit Leben zu füllen. Bleibt als große offene Frage, wer aus welchem Grunde den SAF-Einsatz befehligte. Das Image der staatlichen Sicherheitskräfte ist derart ramponiert, dass bereits der SAF-Chef, Direktor Getulio Napeñas, seines Amts enthoben wurde. Für die Regierung unter Präsident Aquino wäre es eine Riesenblamage, sollte sich herausstellen, dass sich die Spezialkräfte der Polizei durch ihren Einsatz die beträchtliche Kopfgeldsumme von sechs Millionen Dollar sichern wollten. Ein Novum wäre das allerdings nicht. #