Junge Welt – Rainer Werning – Verhaftung statt Verhandlung

Tageszeitung junge Welt / Berlin

Ausgabe vom 08.06.2015, Seite 7 / Ausland

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 Verhaftung statt Verhandlung

 

Philippinen: Festnahme von Kader der Kommunistischen Partei

untergräbt Friedensprozess

 

Von Rainer Werning

 

Protest nach der Festnahme der kommunistischen Spitzenpolitiker Wilma Austria und Benito Tiamzon am 25. März 2014 in Manila

Foto: EPA/RITCHIE B. TONGO/dpa – Bildfunk

Philippinische Sicherheitskräfte haben am vergangenen Montag nach
eigenen Angaben in der Stadt Bacoor südlich der Hauptstadt Manila einen
ranghohen Kader der Kommunistischen Partei (CPP) festgenommen. Der
67jährige Adelberto Silva alias Percival Rojo wurde zusammen mit seiner
Frau Rosanna Cabusao und einem Begleiter aufgegriffen, ohne Gegenwehr zu leisten. Die Armee (AFP) brüstet sich nun damit, in ihrer »Aufstandsbekämpfung« einen weiteren Erfolg gegen die CPP und deren
bewaffneten Arm, die Neue Volksarmee (NPA), erzielt zu haben. Andere
Quellen wie die philippinische Menschenrechtsorganisation Karapatan
berichten dagegen, dass eine Spezialeinheit der Philippinischen
Nationalpolizei (PNP) die drei festgenommen habe.

Laut AFP-Pressesprecher Harold Cabunoc hatte Silva die Leitung der
CPP-NPA übernommen, nachdem die Sicherheitskräfte im März 2014 den
Parteivorsitzenden Benito Tiamzon und dessen Frau, die
CPP-Generalsekretärin Wilma Austria, verhaftet hatten. Silva muss sich
der Armee zufolge wegen der Ermordung von 15 Menschen verantworten,
deren Leichen 1985 in einem Massengrab auf der Insel Leyte entdeckt
worden waren. Die NPA soll ihnen Spionage für das Militär vorgeworfen haben.

Mit den Festnahmen schwindet die Hoffnung auf ein friedliches Ende des
seit Ende der 60er Jahre währenden bewaffneten Konflikts in den Philippinen. Die Regierung von Präsident Benigno Aquino III. hatte stets erklärt, bis zum Ende ihrer Amtszeit im Juni 2016 einen umfassenden Friedensvertrag mit der Nationalen Demokratischen Front (NDFP), dem politischen Untergrundbündnis des kommunistischen Widerstandes, aushandeln zu wollen. Seit Mitte 2014 drängt eine von säkularen und kirchlichen Organisationen getragene Bewegung unter dem Namen Kapayapaan (Frieden) beide Seiten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die seit Februar 2013 ausgesetzten Friedensgespräche unter Vermittlung des norwegischen Außenministeriums fortzuführen. Über 50 namhafte Persönlichkeiten, unter ihnen Bischöfe und Intellektuelle, richteten als Initiatoren dieser Bewegung drei Hauptforderungen an die Kontrahenten:
die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen, die Anerkennung aller
getroffenen Vereinbarungen und ein Fokussieren auf die Wurzeln des
bewaffneten Konflikts.

»Die Festnahme Silvas unterhöhlt einmal mehr den Friedensprozess«,
erklärte die Generalsekretärin von Karapatan, Cristina Palabay, am
Donnerstag gegenüber mehreren philippinischen Medien. Die Aktion
demonstriere »auf fatale Weise, dass sich die Regierung einfach über das
beidseitig ausgehandelte Gemeinsame Abkommen über Sicherheits- und
Immunitätsgarantien (JASIG) sowie das Umfassende Abkommen zur Wahrung der Menschenrechte und des Internationalen Humanitären Rechts (CARHRIHL) hinwegsetzt«. Silva, so Palabay, sei als langjähriger Aktivist und
Berater der Gewerkschaft Kilusang Mayo Uno gleichzeitig akkreditierter
NDFP-Vertreter gewesen, der aufgrund des JASIG hätte geschützt sein
müssen: »Statt dessen werden er und seine Begleiter, wie in zahlreichen
früheren Fällen geschehen, mit fabrizierten Anklagen – darunter Mord,
versuchter Mord und Waffenbesitz – konfrontiert, um sie wegzusperren.«

Vor der Festnahme von Silva hat Karapatan bereits 16 Fälle dokumentiert,
da NDFP-Beratern dasselbe Schicksal widerfuhr und ihnen lange
Haftstrafen aufgebrummt wurden. Landesweit sitzen laut Angaben von
Palabay 527 politische Gefangene hinter Gittern. Die Regierungsseite
zieht die Ernsthaftigkeit der NDFP-Verhandlungsführer generell in Zweifel. Diese werfen im Gegenzug der Regierung in Manila vor, über ein Dutzend ihrer akkreditierten Berater unrechtmäßig gefangenzuhalten und sich über ausgehandelte Abkommen hinwegzusetzen. #