Junge Welt – Rainer Werning – Aquino kommt nicht voran

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Tageszeitung junge Welt / Berlin
02.02.2016 / Ausland / Seite 6
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Aquino kommt nicht voran

Philippinen: Präsident unter Druck, Friedensprozess stockt

Von Rainer Werning

Der noch bis Ende Juni amtierende philippinische Präsident Benigno Aquino III. ist in der vergangenen Woche erneut wegen des Einsatzes zur Ergreifung des international gesuchten »Topterroristen« Zulkifli bin Hir alias Marwan vor einem Jahr unter Beschuss geraten. Im Senatskomitee für öffentliche Ordnung und Sicherheit warf der 91jährige Senator Juan Ponce Enrile dem Präsidenten vor, »aktiv und direkt« in die Planung der »Antiterroroperation« in Mamasapano auf der Insel Mindanao im Süden des Landes involviert gewesen zu sein. Bei dem Einsatz waren am 25. Januar 2015 nach offiziellen Angaben 44 Mitglieder der Special Action Force (SAF) der Philippinischen Nationalpolizei (PNP) getötet worden.

Gut sieben Stunden lang befragte Enrile verantwortliche Polizei- und Armeeoffiziere sowie einstige und noch amtierende Kabinettsmitglieder.
Er konnte so zwar nachweisen, dass eine »aufgesplitterte Befehlskette« für das Fiasko verantwortlich war, doch Sprecher des Präsidenten hielten dagegen, dass Aquino persönlich keine Schuld treffe. Vielmehr sei er von Untergebenen »hintergangen und mit Fehlinformationen versorgt worden«.
Für Unmut sorgten in den Sitzungen gegenseitige Schuldzuweisungen von
PNP-Offizieren und Armeegenerälen wegen ausgebliebener oder zu spät
erfolgter Hilfe für die bedrängten SAF-Einheiten.

Nicht geklärt wurde das genaue Ausmaß der Beteiligung von Streitkräften
der USA an dem Einsatz. Unbestritten ist, dass in den Philippinen
stationierte US-Spezialeinheiten an der Ausbildung der einheimischen
Truppen sowie an der Planung und logistischen Unterstützung der
»Operation Exodus« beteiligt waren. Die Regierung in Manila und die
US-Botschaft versuchen dies herunterzuspielen und geben an, es habe zu
keiner Zeit einen aktiven Kampfeinsatz von GIs gegeben. Linke
Organisationen und Medien sehen das anders. Der Chefredakteur des
Onlinemagazins Bulatlat, Benjie Oliveros, bezeichnete die 44 SAF-Opfer
in einer Kolumne am vergangenen Donnerstag gar als »Kanonenfutter in
einer auf philippinischem Boden durchgeführten US-Antiterroroperation«.

Alles andere als Erfolge konnte Benigno derweil auch im Friedensprozess
mit der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) verzeichnen, in deren
Einflussbereich die Spezialeinheiten bei dem desaströsen Einsatz
vorgedrungen waren. Ein Ende März 2014 ausgehandelter Friedensvertrag
scheint derzeit nicht umsetzbar. Kernstück des Abkommens ist die
Schaffung der autonomen Region Bangsamoro. Dazu sollte ein
entsprechendes Gesetz vom Kongress und vom Senat verabschiedet und
danach per Volksabstimmung bestätigt werden. Bisher hat dieses
»Bangsamoro-Grundgesetz« (BBL) jedoch nicht einmal den Kongress
passiert. Islamophobie, der befürchtete Verlust von politischer Macht
und wirtschaftlichen Pfründen seitens einiger Regionalpolitiker und der
bereits früh begonnene Wahlkampf waren dafür verantwortlich. »Ich habe
jedwede Hoffnung verloren. Radikale Elemente werden dieses unsägliche
Scheitern für ihre Zwecke nutzen«, bilanzierte Pangalian Balindong,
Kongressabgeordneter aus Mindanao, am Wochenende auf einer Pressekonferenz.

Balindong meint damit Gruppierungen wie die Abu Sayyaf und Kämpfer der
von der MILF abgespaltenen Bangsamoro Islamischen Freiheitsbewegung
(BIFM) sowie der Khalifah Islamiyah Mindanao-Black Flag Movement (KIM-BFM). Die pflegen entweder Kontakte mit der in Indonesien und Malaysia operierenden Jemaah Islamiyah, die ihrerseits der Al-Qaida nahesteht, oder haben gleich dem »Islamischen Staat« die Treue geschworen. Aus dem Präsidentenpalast und seitens der MILF-Führung unter Murad Ebrahim und Chefunterhändler Mohagher Iqbal hieß es indes am Sonntag unisono, man werde auch nach dem Ende der Amtszeit Aquinos gemeinsam am Friedensprozess festhalten.

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