Junge Welt – Rainer Werning – Duterte-Idi Amin-Hitler

04-10-2016_duterte-idi-amin-hitler-jw

Tageszeitung junge Welt / Berlin

Gegründet 1947 – Dienstag, 4. Oktober 2016, Nr. 230

Aus: Ausgabe vom 04.10.2016, Seite 7 / Ausland

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Duterte – Idi Amin – Hitler

Die politische Farbenlehre des philippinischen Präsidenten: Mal braun, mal schwarz, mal rot

 Von Rainer Werning

Präsidiale Geste: Die ausgestreckte Faust war das Markenzeichen derWahlkampagne von Rodrigo Duterte (San Miguel, 15.9.2016) Foto: Erik de Castro/Reuters

 

Rodrigo Roa Duterte, der 16. Präsident der Philippinen, wird Ende dieser Woche seine ersten 100 Tage im Amt absolviert haben. Und bereits jetzt steht fest, dass er in die Annalen der Geschichte des südostasiatischen Inselstaates als dessen schillerndster, kontroversester und unberechenbarster Präsident eingehen wird. In manisch-repressiver Manier verfolgt »Rody« oder »Digong«, wie seine Fangemeinde ihren als politischen Messias gefeierten Boss nennt, einen erklärten »Krieg gegen Drogen, Kriminalität und Korruption«. Koste es, was es wolle. Bislang sind annähernd 4.000 Menschen als vermeintliche Drogendealer oder Abhängige Opfer außergerichtlicher Hinrichtungen geworden.

Am letzten Septembertag beging der öffentlich gern stichelnde und großmäulige »Digong« den ultimativen Tabubruch, als er seinen Antidrogenfeldzug demagogisch mit dem Holocaust verglich. »Hitler hat drei Millionen Juden massakriert. Nun, es gibt (hier) drei Millionen Drogenabhängige. Nur zu gern würde ich sie abschlachten«, sagte Duterte am vergangenen Freitag nach seiner Stippvisite in Vietnam. Deutschland habe Hitler gehabt, fügte er hinzu und deutete dann auf sich selbst, als

er über die Philippinen sprach. Als dann wahre Protestwellen einsetzten und der Präsident für seinen Vergleich international geschmäht wurde, ruderte »Digong« zurück und entschuldigte sich öffentlich. Die falsche Opferzahl – die deutschen Faschisten ermordeten mehr als sechs Millionen Juden – korrigierte er hingegen nicht.

 

Zeitgleich mit seinem unsäglichen Hitler-Vergleich hatte Duterte die Chuzpe, der einstigen Kolonialmacht USA (1898–1946) zwei Schüsse vor den Bug zu verpassen: Nur noch in diesem Jahr werde er die seit langem abgehaltenen philippinisch-amerikanischen Militärmanöver – unter dem Namen »Balikatan« (Schulter an Schulter) bekannt – dulden. Ab nächstem Jahr sei Schluss damit. Auch werde er das im Frühjahr 2014 zwischen Washington und Manila ausgehandelte »Erweiterte Gemeinsame Verteidigungsabkommen« (EDCA) überdenken. Dieses gibt US-Truppen auf den Inseln weitreichende Befugnisse, die unter anderem die kostenlose

Nutzung philippinischer Militäreinrichtungen auf unbestimmte Zeit vorsehen. Statt dessen, so erklärte Duterte, werde er neue und erweiterte Kooperationsmöglichkeiten mit Russland und der Volksrepublik China erkunden.

 

Was den 71jährigen Duterte und seinen Politikstil auszeichnet, ist ein (w)irrer Zickzackkurs zwischen populistischem, mitunter finster reaktionärem Poltern und links drapierten Auftritten – wie Anfang vergangener Woche, als der Präsident Vertreter des linken Untergrundbündnisses der Nationalen Demokratischen Front (NDFP) in seinen Amtssitz, den Malacañang-Palast, eingeladen hatte und gemeinsam

versichert wurde, bei der in wenigen Tagen in Oslo beginnenden zweiten offiziellen Friedensgesprächsrunde substanziell vorankommen zu wollen. Inszeniert wird diese bizarre Pendelpolitik mit knallhartem Kalkül, oder sie vollzieht sich in impulsivem Stakkato. Dutertismo – der spiegelt sich auch im Kabinett wider. Es ist dies ein Sammelsurium aus hartgesottenen Neoliberalen, mächtigen Businessleuten, fortschrittlichen Politikern und Linken.

 

Bereits am 17. Juli hatte Duterte Exkommilitonen des San Beda College of Law in den Malacañang-Palast eingeladen und den verdutzten Gästen beschieden, dass er seinen »Krieg gegen Drogen, Kriminalität und Korruption« bis zum bitteren Ende führen werde. Selbst auf die Gefahr, dass – so der Präsident im O-Ton – »ich mit der Reputation eines Idi Amin aus dem Amt scheide, wenn ich dann noch lebe«. Idi Amin hatte in den 1970er Jahren als »Schlächter von Uganda« das Land ins Elend und in

den Ruin getrieben. Wer so redet und alles unternimmt, das ohnehin arg ramponierte Rechtssystem durch außergerichtliches Morden gänzlich auszuhebeln, wird es schwer haben, die volle sechsjährige Amtszeit zu überstehen. #