Im Land von »Klein Cäsar«
Die Insel Jolo ist der mit Abstand unsicherste Teil der Philippinen. Das
Geschäft mit Entführungen und Drogenhandel boomt. Für geschickte Vermittler eine
lukrative Angelegenheit
Rainer Werning
Mittvierziger, stets freundliche und zu Scherzen aufgelegte Malik
L. (Name geändert) vor Lebenslust. Mehrfach begleitete er mich
in den letzten Jahren auf Reisen durch die Insel Jolo auf den
südlichen Philippinen. Gemeinsam mit Verwandten und engen
Freunden sorgte er als ständiger Begleitschutz für die
notwendige »security«. Denn »Sicherheit«,
so einer von Maliks Lieblingssprüchen, war sein Geschäft,
»da kenne ich mich aus«. Kein Wunder, Malik arbeitete
hauptberuflich als Polizist. »Mitglied der Philippine
National Police«, wie er stets stolz betonte. Und immer
schwang dabei dieser ironische Unterton mit, der auf Jolo so
verbreitet ist. Denn nur mit Ironie, so scheint es, lassen sich die
allgegenwärtige Tristesse und Gewalt vergessen, der die knapp
500000 Einwohner der Insel ausgeliefert sind.
Tragischer Verlust
Unvergeßlich die Szene, als Malik einmal nach einer
völlig schweißtreibenden Tagestour zu verschiedenen
Gesprächspartnern ein frisches T-Shirt aus dem Wagen holte, es
sich überstreifte und breit grinsend, als schwenkte er
lausbübisch eine kleine Trophäe, auf die Hemdaufschrift
zeigte: »Feel safe tonight, sleep with a cop«
(»Fühl’ dich sicher heute Nacht, schlaf’ mit
’nem Polizisten«) – war darauf gedruckt. Dann
füllte er einen Plastikteller mit Reis, Gemüse,
Fischbällchen oder Seetang, sprenkelte Sojasauce darüber,
um sich, etwas abseits kauernd, zum Abendessen
zurückzuziehen.