Junge Welt – Rainer Werning – Wendehälse in Manila

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Tageszeitung junge Welt / Berlin
Gegründet 1947
Ausgabe vom 07.04.2015, Seite 7 / Ausland

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  1. Wendehälse in Manila

Philippinen: Befürworter von Friedensvertrag mit Moro-Rebellen werden zu Kriegstrommlern

Von Rainer Werning

Der Philippinische Präsident Benigno Aquino spricht mit Angehörigen der getöteten Polizisten (Taguig, 30.1.2015)
Foto: Romeo Ranoco/Reuters

Vor gut einem Jahr, am 27. März 2014, herrschte in den Philippinen freudige Aufbruchstimmung. Nach einem 17jährigen Verhandlungsmarathon war endlich ein Friedensabkommen zwischen der Regierung von Präsident Benigno S. Aquino III. und der bedeutendsten muslimischen
Widerstandsorganisation, der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF)
zustande gekommen. Vermittelt hatte das Nachbarland Malaysia. In Manilas
Präsidentenpalast Malacañang und auf der südlichen Hauptinsel Mindanao
erhoffte man sich mit dieser Vereinbarung die Beilegung eines Konflikts, der allein seit Ende der 1960er Jahre etwa 150.000 Menschen das Leben gekostet hat. Eines der Kernstücke des Vertrages ist das Grundgesetz (BBL) der neu zu schaffenden autonomen Bangsamoro-Region, die zeitgleich mit den nächsten landesweiten Wahlen im Mai 2016 Gestalt annehmen soll. Bis dahin allerdings muss das BBL die beiden Kammern der Legislative, den Kongress und den Senat, passieren, bevor über die endgültige Annahme der Regionalverfassung bei einem Volksentscheid abgestimmt wird.

Seit dem 25. Januar dieses Jahres sehen selbst einst stramme BBL-Befürworter in Kongress und Senat die Dinge anders. An jenem »Blutsonntag« war eine Kommandoaktion der Special Action Force (SAF) der
Philippinischen Nationalpolizei (PNP) zur Ergreifung dreier gesuchter
»Terroristen« zum Desaster geraten. 44 Polizisten, 17 MILF-Kämpfer und
drei Zivilisten wurden während der »Operation Exodus« in der Ortschaft
Mamasapano in der südlichen Provinz Maguindanao getötet. Von einem
»Massaker« war die Rede, was die MILF-Führung allerdings brüsk zurückwies. Sie sprach statt dessen von einer Notwehrmaßnahme, da die
SAF das Feuer eröffnet hätte.

In drei Untersuchungsberichten wurde Präsident Aquino als einer der
Hauptverantwortlichen der Aktion bezeichnet, wenngleich er versuchte, die Schuld auf einstige Vertraute abzuwälzen. Einer, der seit Ende Januar als knallharter Hardliner gegen das BBL auftritt, ist Senator Alan Peter Cayetano. Der Mann, der den Friedensvertrag zuvor befürwortet hatte, hält nicht nur hartnäckig an der »Massaker«-Version fest, sondern unterstellte der MILF-Führung gar, dass diese »gesuchten Terroristen Unterschlupf« gewähre. Dem Verhandlungsteam der Regierung, Miriam Coronel-Ferrer und Teresita Quintos-Deles, warf er vor, bei den Friedensverhandlungen mehr die Belange der MILF zu berücksichtigen als die Interessen Manilas. Cayetano nutzt die erneut geschürte Anti-Moro-Stimmung für seine politische Karriere. Bereits jetzt betreiben er und andere ambitionierte Politiker Vorwahlkampf, um im Mai nächsten Jahres gewappnet zu sein.

Obgleich in landesweiten Umfragen nur 44 Prozent der Befragten dem BBL
zustimmten, halten einflussreiche Verbände, Menschenrechtsorganisationen
und Bischöfe auf Mindanao das Grundgesetz für unbedingt notwendig. »Die
Menschen in Mindanao brauchen Medizin und keine Kugeln. Sie brauchen
Gesundheitspersonal und keine Soldaten«, heißt es in einer Stellungnahme
von Ärzten und Krankenschwestern der Mitte März neu geschaffenen
Vereinigung »Rx Aquino Resign Now!«. Momentan seien aufgrund anhaltender Militäroffensiven etwa 125.000 Menschen auf der Flucht, deren
Grundversorgung die Regierung mindestens drei Millionen Peso (etwa
60.000 Euro) pro Tag koste. Die Vereinigung fordert Aquinos Rücktritt
und hält sein weiteres Amtieren für die Menschen im Süden des Landes für
»gesundheitsgefährdend«.

Der Präsident bat derweil in einer Ansprache vor über 200 Absolventen
der Akademie der Nationalpolizei in Silang, in der südlich von Manila
gelegenen Provinz Cavite, um Verständnis und Vergebung für die
fehlgeschlagene Kommandoaktion in Mamasapano. Die Ostertage nutzte der
Präsident in dem vorwiegend katholischen Land, um, so heißt es aus
Regierungskreisen, »innezuhalten und für seine Hasser zu beten«. #