Tageszeitung junge Welt / Berlin
27.03.2014 / Ausland / Seite 7
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Philippinen: Regierung und Moro-Rebellen unterzeichnen Abkommen, das
den Bürgerkrieg beenden soll
Von Rainer Werning
Vor etwa 1000 geladenen Gästen aus dem In- und Ausland soll am heutigen
Donnerstag im Präsidentenpalast von Manila zeremoniell der Friedensvertrag zwischen der Regierung der Philippinen und der bedeutendsten muslimischen Rebellenorganisation, der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF), unterzeichnet werden. Über 40 Verhandlungsrunden unter der Schirmherrschaft der malaysischen Regierung waren innerhalb von 17 Jahren notwendig, um dieses »umfassende Abkommen über die Schaffung der Region Bangsamoro« – was wörtlich übersetzt »Land der Moros«, der muslimischen Bevölkerung, heißt – auszuarbeiten. Noch im Sommer 2000 hatte der damalige Präsident Joseph E. Estrada der MILF im Zuge eines »totalen Krieges« mit der »Pulverisierung« gedroht. Nun stimmt diese Organisation, die einst für einen unabhängigen Staat in den Südphilippinen gekämpft hatte, gemeinsam mit Präsident Benigno Simeon Aquino III in dessen Amtssitz ein Hohelied auf den Frieden an.
Die Reaktionen waren bereits im Vorfeld durchweg überschwenglich. »2014
wird für den Süden des Landes als ein Jahr des Friedens in die Geschichte eingehen«, erklärte Mary Ann Arnado, Generalsekretärin des Mindanao Peoples Caucus. In zivilgesellschaftlichen und Kirchenkreisen wird diese Stimmung ebenso geteilt wie in den Medien des Landes. Die Verhandlungsführer beider Seiten, Miriam Coronel-Ferrer für die Regierung und Mohagher Iqbal für die MILF, sprechen beide von einem »historischen Meilenstein«. Für Coronel-Ferrer ist der Vertrag gar eine »Quelle der Inspiration« für Länder mit »ähnlichen Problemen« und ein »weltweit vorbildlicher Beitrag zur Friedenssicherung«. Der malaysische Vermittler bei den Verhandlungen, Tengku Dato’ Ab Ghafar Tengku Mohamed, würdigte den Vertrag ebenfalls als herausragend: »Können Sie mir ein anderes Land mit einem 90prozentigen Anteil an Katholiken nennen, das sich anschickt, der muslimischen Bevölkerung Autonomie zu gewähren?«
Dem Vertrag vorausgegangen war Mitte Oktober 2012 eine Rahmenvereinbarung, die vorsah, unter anderem die Aufteilung von
Steueraufkommen und politischen Machtbefugnissen unter Dach und Fach zu
bringen. Bis Ende Januar konnte Einigkeit erzielt werden. Parallel zu diesen Verhandlungen war eine 15köpfige Bangsamoro-Übergangskommission unter dem Vorsitz von MILF-Verhandlungsführer Mohagher Iqbal damit beauftragt worden, den Entwurf eines entsprechenden Grundgesetzes auszuarbeiten. Dieses soll möglichst bis Ende des Monats an das Präsidialamt weitergeleitet werden, damit Aquino es den Kongreßabgeordneten und Senatoren noch vor Beginn der Sommerpause im Juni als eilbedürftiges Gesetz zur Ratifizierung vorlegen kann.
Teresita Quintos-Deles, Beraterin des Präsidenten in Fragen des
Friedensprozesses, hat bereits hoffnungsfroh signalisiert, daß der
Entscheidungsprozeß in beiden Kammern bis Ende des Jahres abgeschlossen
werden könnte. Sollte dieser Zeitplan eingehalten werden, stünde im ersten Quartal 2015 ein Plebiszit an. Abzuhalten wäre dieses in jenen Gebieten, die heute noch zur »Autonomen Region in Muslim Mindanao« (ARMM) zählen sowie in weiteren Gemeinden, Dörfern und Städten der Provinzen Lanao del Norte, Nordcotabato und Basilan. Außerdem können sich andere Provinzen, Städte und Gemeinden per Volksentscheid Bangsamoro anschließen.
Die Abstimmung über eine tragfähige Regionalregierung der neuen Autonomie, die den Schlußpunkt des gesamten Friedensprozesses darstellen
wird, soll im Zuge der im Frühjahr 2016 anstehenden Präsidentschafts-,
Gouverneurs- und Kongreßwahlen erfolgen. Bis dahin will sich die MILF
als politische Partei konstituiert und ihre militärischen Einheiten in die neue Bangsamoro-Polizei umgewandelt haben.
Bei aller Euphorie darf nicht vergessen werden, daß ähnliche Verträge
mit der Moro Nationalen Befreiungsfront (MNLF) 1976 und 1996 in
Sackgassen geführt haben. Weil die MNLF letztlich die nationale
Souveränität und staatliche Integrität der Philippinen anerkannte,
kehrten ihr jene Kräfte den Rücken, die aus Protest dagegen die MILF
gründeten. #